Rz. 96

Haben Eltern ihrem Schwiegerkind Vermögen im Hinblick auf den Bestand der Ehe des eigenen Kindes mit dem Schwiegerkind zugewandt, ist für die Ermittlung der Höhe eines Ausgleichsanspruchs zu prüfen, inwiefern der Zweck der schwiegerelterlichen Schenkung bereits realisiert wurde.

(1) Dauer der Ehe

 

Rz. 97

Geschäftsgrundlage der schwiegerelterlichen Zuwendung ist in der Regel, dass dem eigenen Kind durch Unterstützung der ehelichen Lebensgemeinschaft die Schenkung auf Dauer zugutekommen sollte. Hatte die Ehe des Kindes mit dem Schwiegerkind nach der schwiegerelterlichen Schenkung noch Bestand, konnte das Kind im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft zumindest noch eine Zeit lang von dem Vermögenserwerb profitieren. Aufgrund dessen kann nur insoweit von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage gesprochen werden, als die Begünstigung des eigenen Kindes entgegen den Erwartungen der Eltern vorzeitig endet.[89] Solange die Ehe bestand, wurden die Erwartungen der Eltern erfüllt. Nur für die Zeit nach dem Scheitern der Ehe ist die Begünstigung dem eigenen Kind entzogen.[90] Es liegt also eine teilweise Erwartungserfüllung vor.[91] Um diesen Aspekt bei der Berechnung eines Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen, gibt es verschiedene Lösungsansätze.

 

Rz. 98

Zum Teil wird davon ausgegangen, dass die durchschnittliche Ehedauer 20 Jahre beträgt. Hätte die Ehe des Kindes mit dem Schwiegerkind also einen Zeitraum von 20 Jahren angedauert, dann wäre der mit der Schenkung verfolgte Zweck, die Ehe des eigenen Kindes aufrecht zu erhalten und zu stärken, im Regelfall als vollständig erreicht anzusehen. Währt die Ehe dagegen weniger als 20 Jahre, liegt eine entsprechend kürzere Nutzungsdauer, also geringere Erwartungserfüllung vor. Zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs kann danach folgende Formel Anwendung finden: 20 Jahre Ehedauer abzüglich Nutzungsdauer.[92]

 

Rz. 99

Andererseits aber wird eine Ehe regelmäßig in der Erwartung geschlossen, sie werde bis zum Lebensende eines der Ehegatten fortdauern. Dann bietet es sich an, als zu erwartende Ehedauer die Lebenserwartung des Ehegatten mit der kürzeren statistischen Lebenserwartung im Zeitpunkt der Zuwendung anzunehmen.[93] Die statistische Lebenserwartung ist der Sterbetafel (im Internet abrufbar) zu entnehmen. Eine Berechnungsformel würde wie folgt lauten können:

 

Beim Empfänger noch vorhandenes Vermögen x Zeitraum zwischen Zuwendung und Scheitern der Ehe : Zeitraum zwischen Zuwendung und statistischem Ende der Lebenszeit.[94]

 

Rz. 100

 

Lösung Fallbeispiel:

M war zum Zeitpunkt der Eheschließung 35 Jahre alt war, und F 32 Jahre. Die eheliche Lebensgemeinschaft währte fünf Jahre. Die Höhe der Zuwendung bezifferte sich auf 60.000 EUR.

a) Wählt man für die Berechnung den Ansatzpunkt, die regelmäßige Ehezeit betrage 20 Jahre, dann errechnet sich die Höhe des Ausgleichsanspruchs wie folgt: 20 Jahre Ehe abzüglich fünf Jahre Nutzungsdauer = 15 Jahre, also ¾. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs würde sich damit beziffern auf 60.000 EUR x ¾ = 45.000 EUR.

b) Vertritt man die andere Ansicht, auf die statistische Lebensdauer abzustellen, würde sich folgende Berechnung ergeben:

Ehedauer vom Zeitpunkt der Zuwendung bis zum Scheitern der Ehe (5 Jahre) geteilt durch die statistische Lebenserwartung des M im Zeitpunkt der Zuwendung (43,72 ~ 44) = 11 %. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs würde sich beziffern auf 60.000 EUR abzüglich 11 % (6.600 EUR) des Zuwendungsbetrages, also insgesamt 53.400 EUR.

[89] BGH, Urt. v. 20.7.2011 – XII ZR 149/09, openJur 2012, 135 (Ziff. 33), FamRZ 2012, 273; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 4.6.2012 – 6 UF 12/12, openJur 2013, 29637 (Ziff.15); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.2.2013 – II-7 UF 185/12, openJur 2013, 32820 (Ziff.55), rechtsprechungsdatenbank.nrw.
[90] BGH FamRZ 1998, 669, 670; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.2.2013 – II-7 UF 185/12, openJur 2013, 32820 (Ziff. 55), rechtsprechungsdatenbank.nrw.
[91] BGH, Urt. v. 20.7.2011 – XII ZR 149/09, openJur 2012, 135 (Ziff.34), FamRZ 2012, 273.
[92] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.2.2013 – II-7 UF 185/12, openJur 2013, 32820 (Ziff.64), rechtsprechungsdatenbank.nrw.
[93] Weinreich, FF 2011, 271, 275.
[94] Weinreich, FF 2011, 271, 275.

(2) Noch vorhandene Vermögensmehrung

 

Rz. 101

Der Ausgleichsanspruch kann aber nur höchstens den Betrag umfassen, der zum Zeitpunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, also des Zeitpunkts des Scheiterns der Ehe, noch messbar als Vermögensmehrung vorhanden ist. Gezahlte Zinsen mehren das Vermögen zum Beispiel nicht. Sie dienen nur der Begleichung der Darlehenskosten.[95] Hierdurch wird zugleich der Anspruch nach oben begrenzt.[96] Wird der Ausgleichsanspruch geltend gemacht, ist die noch vorhandene Vermögensmehrung substantiiert darzulegen. Gegebenenfalls sind Sachverständigengutachten einzuholen.

[95] BGH, Beschl. v. 26.11.2014 – XII ZR 666/13, FamRZ 2015, 490, 493.
[96] BGH, Urt. v. 20.7.2011 – XII ZR 149/09, openJur 2012, 135 (Ziff. 35); Handbuch Familienvermögensrecht/Büte, Kap. 5 Rn 12.

(3) Teilhabe am Zugewinnausgleich

 

Rz. 102

Der Zweck der Schenkung kann auch insoweit erreicht worden sein, als das...

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