Rz. 73

Eine andere Wertung der Frage der Zumutbarkeit kann aber unter Umständen dann vorliegen, wenn das Schwiegerkind hinsichtlich desselben Leistungsgegenstandes doppelt in Anspruch genommen würde. Das wäre der Fall, wenn sowohl Ansprüche der Schwiegereltern als auch Ansprüche des Ehegatten geltend gemacht werden und kumulativ nebeneinander stehen. Eltern könnten das Schwiegerkind zum Beispiel aus Wegfall der Geschäftsgrundlage, der Ehegatte wegen Zugewinnausgleichs in Anspruch nehmen. Deutlicher wird diese Problematik, wenn der schuldrechtliche Anspruch der Schwiegereltern abgetreten würde an das eigene Kind. Das Kind hätte dann gegen den Ehegatten zwei Ausgleichsansprüche wegen desselben Streitgegenstands.

aa) Schenkung

 

Rz. 74

Durch die Änderung der Rechtsprechung im Jahre 2010 wurde der Gefahr der doppelten Inanspruchnahme des Schwiegerkindes entgegengewirkt.

 

Rz. 75

Gemäß § 1374 Abs. 2 BGB wird Vermögen, das ein Ehegatte durch Schenkung erwirbt, nach Abzug der Verbindlichkeiten dem Anfangsvermögen hinzugerechnet. Der Zweck dieser Regelung ist, solche Vermögensbestandteile einer Ausgleichspflicht zu entziehen, die einem Ehegatten von Dritten aufgrund persönlicher Beziehungen oder ähnlicher Umstände zufließen.[64] Voraussetzung hierfür ist aber das Vorliegen einer Schenkung im Sinne des § 516 BGB.[65]

 

Rz. 76

Bis 2010 galt die schwiegerelterliche Zuwendung nicht als Schenkung, sondern als unbenannte Zuwendung und fiel nicht in den Anwendungsbereich des § 1374 Abs. 2 BGB. Dieser enthält eine abschließende Aufzählung hinsichtlich der Privilegierungstatbestände. Unbenannte Zuwendungen sind nicht aufgezählt.[66]

 

Rz. 77

Wie bereits ausgeführt, gilt seit Februar 2010 die Rechtsansicht des BGH, schwiegerelterliche Zuwendungen seien als Schenkungen im Sinne des § 516 BGB zu qualifizieren. Damit fallen diese Zuwendungen in den Anwendungsbereich des § 1374 Abs. 2 BGB und werden durch die Berücksichtigung sowohl im Anfangs- als auch im Endvermögen des Schwiegerkindes grundsätzlich einem vollumfänglichen Ausgleichsanspruch entzogen.[67]

 

Rz. 78

Gleichzeitig wird die privilegierte schwiegerelterliche Schenkung lediglich in einer um den Rückforderungsanspruch verminderten Höhe in das Anfangsvermögen des Schwiegerkindes eingestellt.[68] Denn der Beschenkte hat den zugewendeten Gegenstand nur mit der Belastung erworben, die Schenkung im Falle eines späteren Scheiterns der Ehe schuldrechtlich ausgleichen zu müssen.[69]

 

Rz. 79

Zwar gilt der Grundsatz, dass Berücksichtigung im Anfangsvermögen nur diejenigen Forderungen finden, die bereits am Stichtag entstanden sind,[70] was bei dem Rückforderungsanspruch der Schwiegereltern zum Zeitpunkt der Eheschließung explizit nicht der Fall ist. Dem begegnet die Rechtsprechung aber mit dem Argument, dass in der Regel nur die Höhe des Anfangsvermögens ermittelt wird, wenn die Ehe gescheitert ist. Zum Zeitpunkt der Vermögensermittlung steht dann fest, dass und in welcher Höhe der Rückforderungsanspruch der Schwiegereltern besteht. Deshalb kann diese Forderung mit ihrem vollen Wert in das Anfangsvermögen des beschenkten Schwiegerkindes eingestellt werden.[71]

 

Rz. 80

Letztlich ist also ein Rückforderungsanspruch der Schwiegereltern nicht wegen der Gefahr der doppelten Inanspruchnahme des Beschenkten zu verneinen. Der Inanspruchnahme des beschenkten Schwiegerkindes über den Zugewinnausgleich wird durch die Qualifizierung der schwiegerelterlichen Zuwendung als Schenkung entgegengewirkt.[72]

[64] Palandt/Brudermüller, § 1374 BGB Rn 6.
[65] Palandt/Brudermüller, § 1374 BGB Rn 14.
[66] BGH, Urt. v. 21.7.2010 – XII ZR 280/09, openJur 2010, 10756 (Ziff. 25), FamRZ 2010, 1626.
[67] BGH, Urt. v. 21.7.2010 – XII ZR 280/09, openJur 2010, 10756 (Ziff. 25), FamRZ 2010, 1626.
[68] Palandt/Brudermüller, § 1374 BGB Rn 16.
[69] BGH, Urt. v. 21.7.2010 – XII ZR 180/09, openJur 2010, 10756 (Ziff. 28), FamRZ 2010, 1626.
[70] FAKomm-FamR/Weinreich, § 1374 BGB Rn 13.
[71] BGH, Urt. v. 21.7.2010 – XII ZR 180/09, openJur 2010, 10756 (Ziff. 28), FamRZ 2010, 1626.
[72] BGH, Urt. v. 21.7.2010 – XII ZR 180/09, openJur 2010, 10756 (Ziff. 24), FamRZ 2010, 1626.

bb) Arbeits- und Dienstleistungen

 

Rz. 81

Handelt es sich bei der rückabzuwickelnden schwiegerelterlichen Leistung um Arbeits- oder Dienstleistungen, ist die dogmatische Einordnung in den Anwendungsbereich des § 1374 Abs. 2 BGB schwieriger. Denn wie bereits dargestellt, handelt es sich mangels Vermögenseinbuße auf Seiten des Leistenden nicht um eine Zuwendung im Sinne einer Schenkung gemäß § 516 BGB.

 

Rz. 82

Folge dessen müsste zwangsläufig sein, dass ein durch die erbrachten Arbeits- oder Dienstleistungen eingetretener Vermögenszuwachs auf Seiten des Schwiegerkindes keine Privilegierung im Sinne des § 1374 Abs. 2 BGB erfährt. Der Vermögenswert wäre dann nur in das Endvermögen des Schwiegerkindes einzustellen, was einen Vermögenszuwachs während der Ehezeit mit einem entsprechend entstehenden Zugewinnausgleichsanspruch des Ehegatten mit sich bringt. Zugleich sähe sich das Schwiegerkind dann noch einem Ausgleichsanspruch der Schwieg...

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