Rz. 107

In Fällen, in denen Eltern ihrem Schwiegerkind in der Erwartung Vermögen schenken oder Arbeits- oder Dienstleistungen erbringen, die Ehe des eigenen Kindes mit dem Schwiegerkind habe Bestand, kommen auch Rückabwicklungsansprüche nach Bereicherungsrecht in Betracht, wenn die Ehe des Kindes nach der erbrachten Leistung scheitert. Insbesondere § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB kann zur Anwendung kommen. Gemäß § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB ist derjenige zur Herausgabe verpflichtet, der durch die Leistung eines anderen auf dessen Kosten etwas erlangt hat und der mit dieser Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

 

Rz. 108

Zwar ist der Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB wegen Nichteintritts des nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckten Erfolgs subsidiär gegenüber einem Anspruch wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage.[101]

 

Rz. 109

Wenn aber festgestellt werden kann, dass die zuwendenden Schwiegereltern mit der Schenkung ehebezogene Zwecke verfolgten und dass sie hierüber mit dem Leistungsempfänger eine Willensübereinstimmung erzielen konnten, kommen auch Ansprüche aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB in Betracht.[102]

[101] OLG Saarbrücken, Urt. v. 21.11.2013 – 2 U 47/13, rechtsprechung.saarland (S. 6); Handbuch Familienvermögensrecht/Büte, Kap. 5 Rn 16.
[102] FAKomm-FamR/Rossmann, vor §§ 1372 ff. BGB Rn 193.

1. Tatbestandsvoraussetzungen

 

Rz. 110

Damit Schwiegereltern einen Anspruch auf § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB geltend machen können, müssen sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der Leistungskondiktion vorliegen.

a) Etwas durch Leistung erlangt

 

Rz. 111

Das Schwiegerkind muss von den Eltern seines Ehegatten etwas durch Leistung erlangt haben. Erfüllt ist dieses Tatbestandsmerkmal bei jeder bewussten und zweckgerichteten Mehrung fremden Vermögens.[103] Letztlich handelt es sich um dieselben Prüfungskriterien wie bei denjenigen im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (siehe Rn 53 ff.).

[103] PWW/Leupertz, § 812 BGB Rn 43.

b) Rechtsgrund

 

Rz. 112

Rechtsgrund für die Zuwendungen und die Arbeits- oder Dienstleistungen ist ein Schenkungsvertrag bzw. ein familienrechtlicher Kooperationsvertrag (siehe Rn 56 ff.).

c) Nichteintritt des bezweckten Erfolges

 

Rz. 113

Der mit der Leistung bezweckte Erfolg darf nicht eingetreten sein.

aa) Zweckvereinbarung

 

Rz. 114

Der Kondiktionsanspruch des § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB setzt eine Zweckvereinbarung voraus, die neben dem eigentlichen Rechtsgrund besteht.[104] Erforderlich dafür ist die tatsächliche Einigung rechtsgeschäftlicher Natur zwischen den beteiligten Vertragspartnern über den Zweck der erbrachten Leistung.[105] Bloßes Kennenmüssen der Zweckvorstellung des anderen Teils reicht hierfür nicht aus, sondern es ist positive Kenntnis erforderlich.[106]

 

Rz. 115

Das bedeutet für den Fall der schwiegerelterlichen Zuwendung zwangsläufig, dass sowohl die Eltern als auch das Schwiegerkind im Zeitpunkt der Schenkung die Möglichkeit eines späteren Scheiterns der Ehe ausdrücklich in ihre Überlegungen aufgenommen haben. Das Schwiegerkind muss positive Kenntnis von der mit der Schenkung verbundenen Zweckvorstellung der Schwiegereltern, die Ehe werde dauerhaft Bestand haben, gehabt haben.[107] Nur unter diesen Voraussetzungen kann von einer Zweckvereinbarung im oben genannte Sinne gesprochen werden.

 

Rz. 116

Liegt der Fall aber so, dass die Beteiligten im Zeitpunkt der Schenkung zwar eine gemeinsame Vorstellung vom Fortbestand der Ehe hatten, aber keine Überlegungen bezüglich der Möglichkeit eines späteren Scheiterns der Ehe in ihre Vertragsverhandlungen aufgenommen haben, liegt eine Zweckvereinbarung nicht vor.[108]

 

Rz. 117

 

Praxistipp

Eine Zweckvereinbarung ist eine tatsächliche Einigung rechtsgeschäftlicher Natur, die positive Kenntnis von dem Zweck voraussetzt.
Voraussetzung dafür ist, dass die Schwiegereltern und das Schwiegerkind im Zeitpunkt der Schenkung die Möglichkeit eines späteren Scheiterns der Ehe ausdrücklich in ihre Überlegungen aufgenommen haben.
[104] PWW/Leupertz, § 812 BGB Rn 45.
[105] Palandt/Sprau, § 812 BGB Rn 30; PWW/Leupertz, § 812 BGB Rn 45.
[106] BGH, Urt. v. 3.2.2010 – XII ZR 189/06, openJur 2010, 725.
[107] BGH, Urt. v. 3.2.2010 – XII ZR 189/06, openJur 2010, 725; OLG Saarbrücken, Urt. v. 21.11.2013 – 2 U 47/13, rechtsprechung.saarland (S. 8).
[108] BGH, Urt. v. 3.2.2010 – XII ZR 189/06, openJur 2010, 725.

bb) Nichteintritt

 

Rz. 118

Wenn eine Zweckvereinbarung zwischen Eltern und Schwiegerkind angenommen werden kann, ist weitere Voraussetzung für einen bereicherungsrechtlichen Anspruch, dass dieser vereinbarte Zweck nicht eingetreten sein darf.

 

Rz. 119

Besteht der zwischen den Beteiligten vereinbarte Zweck darin, dass der Zuwendungsgegenstand dem eigenen Kind dauerhaft zugute kommen soll, indem dessen Ehe fortbesteht, ist zu überlegen, ob und inwiefern dieser Zweck durch Zeitablauf bereits erfüllt ist. Diesbezüglich gilt der Grundsatz, dass allein dadurch, dass die Ehe eine gewisse Zeit Bestand hatte und das Kind in dieser Zeit von der Schenkung profitierte, ein derartiger Zweck noch nicht vollständig erreicht ist. Ansprüche a...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge