Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 40
Die Unterhaltsberechtigte beruft sich darauf, durch die Ehe sei ihr ein beruflicher Aufstieg verwehrt worden. Zu differenzieren ist zwischen
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Einkommensverbesserungen in einem erlernten und ausgeübten Beruf aufgrund der üblichen Entwicklung in dieser Berufsgruppe und |
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einem behaupteten (hypothetischen) beruflichen Aufstieg (Karriere). |
Rz. 41
Geht es um die übliche Entwicklung in einem Beruf, werden relativ geringe Anforderungen an die Darlegungslast der Unterhaltsberechtigten gestellt. Es reicht aus, wenn sie vorträgt, dass in dem von ihr erlernten Beruf Gehaltssteigerungen in einer bestimmten Höhe mit zunehmender Berufserfahrung bzw. Betriebszugehörigkeit üblich sind.
Rz. 42
Praxistipp
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Dabei kann sich die Unterhaltsberechtigte auch des Hinweises auf vergleichbare Karriereverläufe bedienen, um ihr Vorbringen zu den seinerzeit vorhandenen beruflichen Entwicklungschancen plausibel zu machen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Erwerbsbiografien der Vergleichspersonen überhaupt genügend Berührungspunkte aufweisen. |
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Beruft sich die Berechtigte darauf, sie hätte in ihrer früheren Firma weiter tätig sein können und dort einen beruflichen Aufstieg erreicht, sollte der Unterhaltspflichtige überprüfen, ob diese Firma überhaupt noch existiert! Ist dies nicht der Fall, kann damit die Argumentation der Berechtigten entkräftet werden. |
Rz. 43
Bei einem behaupteten beruflichen Aufstieg (Karriere) sind weitaus höhere Anforderungen zu erfüllen. Entsprechend der Rechtsprechung des BGH zum Karrieresprung auf Seiten des Pflichtigen wird eine – fiktive – höhere berufliche Position nur dann zu berücksichtigen sein, wenn eine solche mit hoher oder zumindest erheblicher Wahrscheinlichkeit zu erreichen gewesen wäre. Diese Darlegung fällt umso schwerer, je weniger man sich auf greifbare Tatsachen stützen kann. Nicht jede denkbare verpasste Chance stellt einen Nachteil dar.
Zitat
Der hypothetische Verlauf eines Erwerbslebens bei hinweggedachter Eheschließung lässt sich zwar kaum darlegen und beweisen.
Jedenfalls aber ist vom Anspruchsteller zu verlangen, dass er substantiiert vorträgt, welche beruflichen Möglichkeiten ihm die Ehe genommen hat.
Alleine der pauschale Vortrag, ohne die Eheschließung und die gemeinsamen Kinder könnte sie heute in einer großen Klinik in gehobener Position arbeiten oder wäre alternativ selbstständig, reicht hierfür bei weitem nicht aus.
Weiter hätte es der Darlegung konkreter beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten und zudem der Darlegung der entsprechenden Bereitschaft und Eignung bedurft, die vom Senat auf ihre Plausibilität hätte überprüft werden können und der Widerlegung durch den Antragsteller zugänglich gewesen wäre.
Die Unterhaltsberechtigte, die sich auf ehebedingte Nachteile beruft, muss den Vortrag des fehlenden ehebedingten Nachteils substantiiert bestreiten und konkret darlegen, dass und welchen ehebedingten Nachteil sie erlitten hat.
Dazu gehört regelmäßig der Vortrag der hypothetischen beruflichen Entwicklung ohne die Ehe mit der praktizierten Rollenverteilung.
Mangels abweichenden Vortrags der Berechtigten ist ein Normalverlauf des Berufslebens ohne besondere berufliche Entwicklungen zugrunde zu legen.
Arbeitet die Berechtigte wieder in ihrem erlernten Beruf zur üblichen Bezahlung, will sie aber einen hypothetischen beruflichen Aufstieg geltend machen, hat sie konkret die Umstände darzulegen, aus denen sich die verpassten Aufstiegsmöglichkeiten ergeben sollen.
Dabei hat sie insbesondere ihre Fähigkeiten, besonderen Talente und Neigungen, auch ihre Bereitschaft zum Erwerb von Zusatzqualifikationen bzw. Fortbildungsbereitschaft darzulegen, ihre berufliche Entwicklung vor der Ehe, die Aufschluss über ihre Leistungsbereitschaft und gegebenenfalls frühere Erfolge geben kann, die sie ohne die Ehe bei durchgehender Beschäftigung erworben hätte.
Sie muss darlegen, welche Karriereschritte dadurch wahrscheinlich gewesen wären, sowie die Umstände, derentwegen solche berufliche Weiterentwicklung in der Ehe nicht möglich war.
Führt der Vortrag dazu, dass die behauptete Entwicklung nur als möglich anzusehen ist, hat die Berechtigte ihre Darlegungslast nicht erfüllt.
Übt der Unterhaltsgläubiger eine vollschichtige Tätigkeit in seinem erlernten Beruf aus und erzielt damit ein überdurchschnittliches Einkommen, ist davon auszugehen, dass er wieder das Vergütungsniveau seiner vorehelich angelegten beruflichen Möglichkeiten erreicht hat, so dass ehebedingte Nachteile i.S.d. § 1578b BGB nicht mehr vorliegen, sofern er keine Umstände darlegt, aus denen sich ergibt, dass er ohne die ehebedingte Berufspause ein höheres Endgehalt in seinem erlernten Beruf hätte erreichen können.
Im Rahmen der bei der Befristung und Herabsetzung des Unterhalts anzustellenden Billigkeitsabwägung ist neben dem Ausgleich ehebedingter Nachteile auch die na...