Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 343
Auch titulierte Unterhaltsansprüche können verwirken. Der Gläubiger verwirkt einen rechtskräftig ausgeurteilten Zahlungsanspruch aber nicht allein dadurch, dass er über einen Zeitraum von 13 Jahren keinen Vollstreckungsversuch unternimmt. Zu dem reinen Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen. Der Vertrauenstatbestand kann folglich nicht allein durch schlichten Zeitablauf geschaffen werden.
Zitat
Das bloße Unterlassen der Geltendmachung des Unterhalts oder der Fortsetzung einer begonnenen Geltendmachung kann das Umstandsmoment der Verwirkung nicht begründen.
Hinzutreten muss ein Vertrauen begründendes Verhalten des Gläubigers, das dem Schuldner Grund zu der Annahme gibt, der Unterhaltsberechtigte werde seinen Unterhaltsanspruch endgültig nicht mehr geltend machen, insbesondere weil er seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben hat.
Das gilt erst recht bei titulierten Ansprüchen, denn mit der Verschaffung eines Vollstreckungstitels zeigt der Gläubiger bereits, dass er diesen über die gesamte Verjährungsfrist hin auch geltend machen will.
Bei titulierten Ansprüchen ist das Umstandsmoment grundsätzlich zu verneinen, wenn Vollstreckungsversuche nur deshalb unterbleiben, weil sie angesichts der finanziellen Situation des Schuldners voraussichtlich erfolglos geblieben wären.
Das für eine Verwirkung erforderliche Umstandsmoment kann trotz einer bereits vorhandenen Titulierung durch Jugendamtsurkunde ausnahmsweise gegeben sein, obwohl etwaige Vollstreckungsversuche wegen der Leistungsunfähigkeit des Schuldners voraussichtlich erfolglos geblieben wären.
Dies kommt in Betracht, wenn die Unterhaltsvorschussstelle einen Unterhaltsschuldner nicht über die Möglichkeit der Titelumschreibung und Vollstreckung aus der bereits über 15 Jahre nicht mehr relevant gewesenen Jugendamtsurkunde informiert, sondern für den Fall der Nichterteilung der angeforderten Auskunft und der Nichtzahlung einen Antrag auf Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren androht.
Titulierter Kindesunterhaltsansprüche sind auch nicht verwirkt, wenn der Beistand des Berechtigten ausschließlich wegen fehlender Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zwar von einer Vollstreckung absieht, aber stets zu erkennen gibt, dass das Kind an seinen Ansprüchen festhält
An die Verwirkung titulierter Ansprüche, die nach Titulierung fällig geworden sind, sind keine höheren Anforderungen zu stellen als an die Verwirkung nicht titulierter Ansprüche.
Einseitiges Verhalten des Unterhaltsschuldners ist nicht geeignet, einen Vertrauenstatbestand zu schaffen.