Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 285
Mutwillig ist ein leichtfertiges, vom üblichen sozialen Standard abweichendes Verhalten, das sich auf die Obliegenheit des Unterhaltsberechtigten, seinen Unterhaltsbedarf selbst zu decken, negativ auswirkt.
Ein solches tatbestandsrelevantes Verhalten kann z.B. dann vorliegen,
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wenn die Unterhaltsberechtigte in vorwerfbar leichtfertiger Weise ihre durch Alkohol- oder Drogenmissbrauch bzw. das Unterlassen rechtzeitiger Entzugsmaßnahmen verlieren |
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ihr Vermögen verschwenden oder verspielen |
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eine berufliche Aus- oder Weiterbildung unterlassen |
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oder ihren Arbeitsplatz freiwillig oder durch eine vorsätzliche Straftat verloren haben |
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durch die zweckentfremdete Verwendung des Altersvorsorgeunterhalts eine damit verbundene Renteneinbuße verursacht haben. |
Zitat
OLG Hamm, Beschl. v. 19.2.2014 – 8 UF 105/12
aa) Die Antragstellerin hat ihre Bedürftigkeit nicht mutwillig herbeigeführt. Eine unterhaltsbezogene Mutwilligkeit liegt dann vor, wenn sich der Bedürftige unter grober Missachtung dessen, was jedem einleuchten muss, oder in Verantwortungs- und Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten über die erkannten möglichen nachteiligen Folgen seines Verhaltens für seine Bedürftigkeit hinwegsetzt und dabei zumindest leichtfertig handelt (BGH FamRZ 2003, 848 (853)). Ein einfaches Verschulden reicht zur Bejahung der Mutwilligkeit nicht aus. Der Verpflichtete muss darlegen und beweisen, dass der Unterhaltsgläubiger seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat. Dazu gehört, dass er ein Vorbringen der Gegenseite, welches im Falle seiner Richtigkeit gegen die Annahme einer Mutwilligkeit sprechen würde, zu widerlegen hat (BGH FamRZ 1989, 1054).
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Die Antragstellerin befand sich wegen ihrer Erkrankungen durchgehend in Behandlung (psychiatrisch, verhaltenstherapeutisch von Januar 2010 bis Anfang 2013, schmerztherapeutisch seit 19.11.2013, psychotherapeutische Behandlung ab Januar 2014). Sie hat sich im April 2013 einer Operation im St. E-Krankenhaus in X unterzogen und vom 15.5. bis 11.6.2013 eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt. Das Gutachten von Dr. S vom 20.4.2013, in dem auch Empfehlungen in therapeutischer Hinsicht ausgesprochen wurden, hat sie ihrem behandelnden Psychiater vorgelegt, der jedoch weder eine Medikationsänderung vorgenommen noch mit ihr über eine stationäre psychotherapeutische Behandlung gesprochen hat. Um eine ambulante psychotherapeutische Behandlung hat sie sich bemüht, jedoch – aufgrund der langen Wartezeiten – erst für Januar 2014 einen Termin bei der Diplom-Psychologin C2 in M erhalten. Von einer unterhaltsbezogenen Leichtfertigkeit der Antragstellerin kann vor diesem Hintergrund nicht ausgegangen werden.
Rz. 286
Allerdings ist der übermäßige Konsum von Alkohol, Drogen und Medikamenten nicht bereits wegen der allgemeinen Bekanntheit der damit verbundenen Folgen mutwillig. In der familienrechtlichen Praxis wird daher für das mutwillige Verhalten nicht bereits an den Konsum angeknüpft. Entscheidend ist stattdessen, ob dem Unterhaltsberechtigten Mutwilligkeit vorzuwerfen ist, weil er es unterlassen hat, mit fachlicher Unterstützung seine Abhängigkeit zu bekämpfen und entsprechende Therapiemaßnahmen einzuleiten und durchzuführen. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt, als er noch Einsicht in die Notwendigkeit solcher Maßnahmen hatte.
Rz. 287
Wenn er daneben auch das Bewusstsein hatte, infolge dieser Abhängigkeit seinen Unterhalt nicht selbst bestreiten zu können, ist die unterhaltsbezogene Leichtfertigkeit gegeben.
Rz. 288
Wurde dem Ehegatten zu einem Zeitpunkt, in dem seine Einsichtsfähigkeit noch nicht eingeschränkt war, vom Arzt dringend eine Entziehungskur nahegelegt, ist er sich regelmäßig seines Krankheitszustandes und der dadurch bedingten Erwerbsunfähigkeit bewusst. Dann konnte er auch die Notwendigkeit einer derartigen Entziehungsbehandlung zur Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit erkennen und musste als mögliche Folge der Verweigerung einer solchen Behandlung die drohende Bedürftigkeit voraussehen.
Rz. 289
Verschwendet der Unterhaltsberechtigte sein Vermögen, obwohl er erkennt, dass er bedürftig sein wird, wenn das Vermögen aufgebraucht ist, hat er seine Bedürftigkeit selbst zu vertreten und erfüllt den Härtegrund Nr. 4. Gleiches gilt, wenn Vermögen an Familienangehörige verschenkt wird.
Rz. 290
Allerdings ist der Verbrauch des Vermögens nur dann mutwillig im Sinne des § 1579 BGB, wenn die Bedürftigkeit ganz oder teilweise selbst herbeigeführt wurde. Der Verbrauch des Vermögens für trennungsbedingte Ausgaben (wie etwa Anwalts- und Gerichtskosten) ist jedenfalls dann nicht mehr mutwillig, wenn er sich in einem nach den Lebensverhältnissen angemessenen Rahmen bewegt.
Der Verpflichtete muss darlegen und beweisen, dass der Unterhaltsgläubiger seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat. Dazu gehört auch, dass er ein Vorbringen der Gegenseite, welches im Falle seiner Richtigkeit gegen die Annahme einer Mutwilligkeit sprechen w...