Dr. iur. Wolfram Viefhues
a) Abänderungsverfahren gegen gerichtliche Titel
Rz. 220
Die Vorschrift des § 1613 Abs. 1 BGB hat insbesondere Bedeutung für Abänderungsbegehren bei Bestehen eines gerichtlichen Titels (§ 238 FamFG).
Ist Unterhalt durch eine gerichtliche Hauptsachenentscheidung tituliert, kann wegen der verfahrensrechtlichen Sperre des § 238 Abs. 3 ZPO S. 1 FamFG eine Abänderung nur mit Wirkung vom Zeitpunkt der Zustellung des Abänderungsantrags an verlangt werden. Wenn jedoch dem Verfahrensgegner zuvor rechtzeitig eine den Anforderungen des § 1613 BGB genügende Auskunftsaufforderung zugegangen ist, kann ein bestehender Unterhaltstitel unter den Voraussetzungen des § 238 Abs. 3 S. 2 und 3 FamFG auch rückwirkend abgeändert werden.
Rz. 221
Für das Erhöhungsverlangen des Unterhaltsberechtigten macht hier § 238 Abs. 3 S. 2 FamFG die rückwirkende Abänderung und damit die gerichtliche Durchsetzung eines höheren Unterhaltsanspruchs bereits ab dem Zeitpunkt möglich, zu dem die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB vorgelegen haben.
Rz. 222
Für ein Herabsetzungsbegehren des Unterhaltspflichtigen gilt § 238 Abs. 3 S. 3 FamFG. Danach kann der Antrag auf Herabsetzung des Unterhalts ab dem Ersten des auf ein entsprechendes Auskunfts- oder Verzichtsverlangen des Antragstellers folgenden Monats durchgesetzt werden.
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Das auf eine Herabsetzung des Unterhalts gerichtete Verlangen des Schuldners unterliegt damit spiegelbildlich den Voraussetzungen, für die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts Unterhalt für die Vergangenheit verlangt werden kann. |
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Erforderlich sind somit entweder ein Auskunftsverlangen mit dem Ziel der Herabsetzung des Unterhalts gegenüber dem Unterhaltsgläubiger oder die Aufforderung an den Unterhaltsgläubiger, teilweise oder vollständig auf den titulierten Unterhalt zu verzichten (sog. "negative Mahnung"). |
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Die Voraussetzungen des § 1613 BGB müssen gegeben sein. Im Streitfall muss auch der Zugang eines entsprechenden Verlangens nachgewiesen. |
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Eine absolute Sperre bildet (§ 238 Abs. 3 S. 4). Danach kann für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit keine Herabsetzung verlangt werden. Diese Regelung lehnt sich an § 1585b Abs. 3 BGB an. |
b) Abänderungsverfahren und Verfahrenskostenhilfe
aa) Rechtshängigkeit bereits durch Antrag auf Verfahrenskostenhilfe?
Rz. 223
In der Vergangenheit wurde teilweise vertreten, dass bereits durch die die Übersendung eines VKH-Antrages Rechtshängigkeit eintritt. Durch die Fassung des § 238 Abs. 3 S. 1 FamFG ist jetzt klargestellt, dass die Zeitschranke nicht durch ein vorangegangenes Verfahrenskostenhilfeverfahren oder die bloße Einreichung der Antragsschrift bei Gericht ausgelöst wird.
Empfohlen wird in diesem Zusammenhang, die sofortige Zustellung vor Zahlung eines Gerichtskostenvorschusses zu beantragen. Die Pflicht zur Zahlung eines Gerichtskostenvorschusses besteht nicht, wenn
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glaubhaft gemacht wird, dass dem Antragsteller die alsbaldige Zahlung der Kosten mit Rücksicht auf seine Vermögenslage oder aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten bereiten würde (§ 15 Nr. 3a FamGKG) oder |
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glaubhaft gemacht wird, dass eine Verzögerung dem Antragsteller einen nicht oder nur schwer zu ersetzenden Schaden bringen würde; zur Glaubhaftmachung genügt in diesem Fall die Erklärung des zum Verfahrensbevollmächtigten bestellten Rechtsanwalts (§ 15 Nr. 3b FamGKG). |
Rz. 224
Zu bedenken ist dabei aber, dass durch die – sofortige – Zustellung auch Rechtshängigkeit eintritt und Kosten ausgelöst werden. Wird später Verfahrenskostenhilfe nicht oder nur in geringerem Umfang bewilligt, wird der Antragsteller mit diesen Kosten belastet.
Rz. 225
Der Zugang eines bezifferten (höheren) Zahlungsantrages im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens setzt den Antragsgegner jedoch immer bereits schon nach den allgemeinen Regelungen (§ 286 Abs. 1 S. 1 BGB) in Verzug. Dazu genügt ein korrektes Auskunftsverlangen (vgl. § 1613 BGB).
bb) Verweigerung der VKH bei fehlender vorgerichtlicher Aufforderung zur Herabsetzung?
Rz. 226
Eine Reihe von Obergerichten bewilligt nur dann Verfahrenskostenhilfe für ein Abänderungsbegehren auf Herabsetzung des Unterhaltes, wenn ein außergerichtlicher Abänderungsversuch erfolglos durchgeführt worden ist. Dazu einige Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte:
Rz. 227