Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 186
In der Praxis wird die wirtschaftliche Bedeutung des Verzugs leider zu wenig beachtet. In einem normalen Zivilprozess hat der Verzug in Form der Verzugszinsen jedenfalls dann keine Bedeutung, wenn die Forderung zeitnah beglichen wird. Unterhalt als Dauerschuldverhältnis kann für zurückliegende Zeiträume jedoch nur dann eingefordert werden, wenn der Unterhaltsschuldner zuvor wirksam in Verzug gesetzt worden ist. Denn Unterhalt für die Vergangenheit kann der Berechtigte nicht generell, sondern nur ab Rechtshängigkeit oder ab Verzug fordern (§§ 1613 Abs. 1, 1585b Abs. 2 BGB). Damit besteht die Gefahr, dass erhebliche Geldbeträge nicht mehr geltend gemacht werden können. In solchen Fällen ist der Anwaltsregress nicht auszuschließen!
Rz. 187
Rückständiger Unterhalt kann nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen durchgesetzt werden. Voraussetzung ist entweder ein korrektes Auskunftsverlangen nach § 1613 BGB oder eine konkret bezifferte Forderung (Verzug gem. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Die jeweiligen – strengen – formalen Vorgaben erklären sich aus der Warnfunktion für den Unterhaltspflichtigen. Die Regelungen sollen den Unterhaltspflichtigen vor hohen Nachforderungen schützen, auf die er sich nicht in seiner Lebensführung eingerichtet hat, weil er vom Unterhaltsberechtigten nicht in Anspruch genommen wurde. Die Einforderung von Unterhaltsrückständen wird daher eingeschränkt. Vom Unterhaltsberechtigten verlangt das Gesetz folglich, bestimmte rechtswahrende Handlungen vorzunehmen, die dem Unterhaltspflichtigen deutlich machen, wer welche konkreten Forderungen – ggf. für welche Zeiträume – gegen ihn geltend macht. Genügt er diesen strengen Anforderungen nicht, erlischt sein Unterhaltsanspruch für den zurückliegenden Zeitraum.
Hinweis
Eine Ausnahme macht das Gesetz in § 1613 Abs. 2 Nr. 2 BGB für Sonderbedarf. Dies ist ein unregelmäßiger außergewöhnlich hoher Bedarf, der nur dann vorliegt, wenn er nicht mit Wahrscheinlichkeit vorauszusehen war, deshalb bei der Bemessung der laufenden Unterhaltsrente nicht berücksichtigt werden konnte und für den der Berechtigte auch keine Rücklagen aus seinem eigenen Einkommen oder den geleisteten Unterhaltszahlungen bilden konnte.
Sonderbedarf liegt unbestritten vor, wenn besonderer Aufwand unvorhersehbar anfällt, wie z.B. bei einer Erkrankung eines Kindes.
Fallen besondere Aufwendungen an, die vorhersehbar waren wie z.B. Klassenfahrten, Aufwand für Kommunion oder Konfirmation, Semestergebühren, Kosten des Kindergartens usw., so sind diese als Mehrbedarf einzustufen, der rückwirkend nur durchgesetzt werden kann, wenn die oben beschriebenen besonderen Voraussetzungen gegeben sind.
I. Wirksames Auskunftsverlangen
Rz. 188
Nach § 1613 BGB kann Unterhalt für die Vergangenheit bereits ab dem Auskunftsbegehren verlangt werden, das zum Zwecke der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruches verlangt wurde. Diese Möglichkeit, die rückwirkende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen zu wahren, bietet zwei praktisch relevante Vorteile.
Rz. 189
Zum einen wird dieser Unterhalt vom 1. Tag des Monats an geschuldet, in dem das Auskunftsschreiben zugegangen ist. Festgestellt werden muss daher nur der Monat des Zugangs, nicht der genaue Tag. Eine Quotelung der Unterhaltsforderung nach einzelnen Tagen ist daher nicht erforderlich.
Rz. 190
Die Verzugswirkungen treten zudem in diesen Fällen immer in Höhe des später beziffert geforderten und in gleicher Höhe gerichtlich zuerkannten Betrages ein. Es tritt mithin eine Art "Rahmenverzug" ein.
Rz. 191
Erforderlich ist aber, dass der Unterhaltspflichtige zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist,
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über seine Einkünfte |
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und sein Vermögen |
Auskunft zu erteilen.
Wegen des Schuldnerschutzes sind die Regeln im Hinblick auf die Warnfunktion streng anzuwenden:
Voraussetzung rückwirkender Durchsetzung ist, dass die Aufforderung zur Auskunft zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs erfolgt ist. Daher muss auf eine ganz bestimmte Unterhaltslage hingewiesen werden. Das bedeutet, dass die jeweils Unterhalt beanspruchende Person genau bezeichnet werden muss, deren Unterhaltsanspruch später durchgesetzt werden soll. Nur so kann die mit der gesetzlichen Regelung beabsichtigte Warnfunktion für den Unterhaltsschuldner erreicht werden; nur dann ist dem Unterhaltspflichtigen klar, für wen er in Zukunft Unterhalt leisten soll.
Der zugrunde liegende Auskunftsanspruch muss bestehen und fällig sein.
1. Adressat des Auskunftsverlangens
Rz. 192
Da die Mahnung eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist, muss sie auch an den richtigen Empfänger gerichtet werden. Hier ergeben sic...