Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 145
Aber auch die Interessen des Unterhaltspflichtigen sind für die Zumutbarkeitsabwägungen von Belang.
Zitat
Wesentliche Aspekte im Rahmen der Billigkeitsabwägung sind neben der Dauer der Ehe insbesondere die in der Ehe gelebte Rollenverteilung wie auch die vom Unterhaltsberechtigten während der Ehe erbrachte Lebensleistung. Bei der Beurteilung der Unbilligkeit einer fortwährenden Unterhaltszahlung sind ferner die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien von Bedeutung, so dass der Tatrichter in seine Abwägung auch einzubeziehen hat, wie dringend der Unterhaltsberechtigte neben seinen eigenen Einkünften auf den Unterhalt angewiesen ist und in welchem Maße der Unterhaltspflichtige – unter Berücksichtigung weiterer Unterhaltspflichten – durch diese Unterhaltszahlungen belastet wird. In diesem Zusammenhang kann auch eine lange Dauer von Trennungsunterhaltszahlungen bedeutsam sein.
Folglich ist bei der Billigkeitsabwägung auch zu berücksichtigen:
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die Höhe der dem Unterhaltspflichtigen zur Verfügung stehenden Einkünfte und seine wirtschaftlichen Verhältnisse, |
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seine gegenwärtige und zukünftige Belastung durch den zu zahlenden Unterhalt im Verhältnis zur Höhe des ihm verbleibenden Einkommens, auch im Verhältnis zu dem der Unterhaltsberechtigten zur Verfügung stehenden Mittel,
- aber auch weitere Belastungen, die der Unterhaltspflichtige nach der Ehe und der Scheidung trägt wie z.B. Zahlungen von Kindesunterhalt oder die Abtragung ehelicher Schulden. Hier spielt auch die Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten eine Rolle.
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Rz. 146
Weitere Argumente des Unterhaltspflichtigen gegen eine dauernde Unterhaltslast können das eigene Alter sein und die zunehmende körperliche und geistige Belastung durch die fortgesetzte Erwerbstätigkeit.
Hier ist aber auch von entscheidender Bedeutung, dass dem Unterhaltspflichtigen möglicherweise nur noch ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht, seine eigene Altersversorgung sicherzustellen. Wurde ihm zudem im Versorgungsausgleich ein größerer Teil seiner bestehenden Altersversorgung genommen, verstärkt dies die Notwendigkeit des Aufbaus einer eigenen ausreichenden Vorsorge. In seiner Entscheidung vom 6.10.2010 hat der BGH diesen Aspekt auf Seiten der Unterhaltsberechtigten in die Abwägung mit einbezogen; dies muss aber auch auf Seiten des Unterhaltspflichtigen gelten. Konkret spitzt sich diese Abwägung auf die Frage zu, ob es dem Unterhaltspflichtigen zuzumuten ist, erst einmal für eine bestimmte Zeit Ehegattenunterhalt zu zahlen und solange die Aufstockung seiner eigenen Altersvorsorge aufzuschieben oder ob ihm dies sofort ermöglicht werden muss mit der Folge einer Einschränkung des Unterhaltsanspruches der geschiedenen Ehefrau.