Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 277
Auch wenn die beschriebene zeitliche Schwelle noch nicht überschritten ist, können besondere Umstände des Einzelfalles für eine ausreichende Verfestigung sprechen, wie regelmäßige Zuwendungen des neuen Partners oder der Erwerb einer gemeinsamen Immobilie.
Rz. 278
Zitat
Aus der Gesamtschau der objektiven Umstände in der Entwicklung der Beziehung zwischen einer getrennt lebenden Ehefrau und ihrem neuen Lebensgefährten, die auch durch das Auftreten als Paar bereits eine Eheähnlichkeit entwickelt hatte, kann eine verfestigte Lebensgemeinschaft im Sinne von §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 2 BGB auch schon vor Ablauf von zwei Jahren mit dem Einzug in die Wohnung des Lebensgefährten anzunehmen sein.
1. Allein das "einseitige Ausbrechen aus intakter Ehe" rechtfertigt nicht die Annahme einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Nr. 7 BGB.
2. Eine "verfestigte Lebensgemeinschaft" im Sinne von § 1579 Nr. 2 BGB kann bei Vorliegen besonderer Umstände auch schon nach Ablauf des ersten Trennungsjahres angenommen werden.
Nach Auffassung des Senats führt allein der Umstand der Zuwendung zu einem anderen Partner noch nicht zu einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass sich ein Ehepartner nicht "einfach so" aus der einstmals mit allen Erwartungen auf Dauer eingegangenen ehelichen Beziehung loslöst und sich einem anderen Partner zuwendet, sondern dass dem eine "Erosion der ehelichen Beziehungen" vorausgegangen ist (vgl. dazu OLG Frankfurt, NJW-RR 1994, 456).
a) …
b) Mit Ablauf des Monats September 2011 ist der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin jedoch nach § 1361 Abs. 3 i.V.m. § 1579 Nr. 2 BGB verwirkt, da sich die Beziehung der Antragstellerin zu Herrn B… mit Ablauf des ersten Trennungsjahres bereits verfestigt hat. Nach herrschender Rechtsprechung kann in zeitlicher Hinsicht regelmäßig zwar nicht vor Ablauf von zwei Jahren davon ausgegangen werden, dass sich eine Lebensgemeinschaft in diesem Sinn "verfestigt" hat. Im vorliegenden Fall kommen aber weitere Umstände hinzu, die die Annahme einer "verfestigten Lebensgemeinschaft" auch schon vor Ablauf von 2 Jahren als gerechtfertigt erscheinen lassen. Die Antragstellerin hatte ihren Lebensgefährten nach eigenen Angaben bereits seit Jahren regelmäßig bei gemeinsamen Kegelurlauben getroffen. Ab Ende 2009 und besonders nach ihrer Operation und Reha-Kur im Jahr 2010 hat sich die Beziehung durch telefonische Kontakte kontinuierlich vertieft. Auch wenn es zu diesem Zeitpunkt – wie die Antragstellerin behauptet – noch keine intimen Kontakte gegeben haben sollte, waren sich beide doch bereits derart vertraut geworden, dass die Antragstellerin direkt nach der Trennung im September 2011 zu ihrem Lebensfährten gezogen ist, wo sie bis heute mit diesem gemeinsam lebt und ihm den Haushalt führt. Damit unterscheidet sich der Verlauf dieser Beziehung zum Beispiel ganz wesentlich von einer Beziehung, die sich erst nach der Trennung allmählich entwickelt, später zur Gründung eines gemeinsamen Haushalts und schließlich nach Ablauf von 2–3 Jahren zur Annahme einer "verfestigten Lebensgemeinschaft" führt. Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Umstände hat sich die Beziehung der Antragstellerin zu ihrem Lebensgefährten nach Auffassung des Senats bereits nach Ablauf eines Jahres so "verfestigt", dass weitere Unterhaltsleistungen für den Antragsgegner nicht mehr zumutbar erscheinen.
Rz. 279
Zitat
1. Macht ein unterhaltsbegehrender Ehegatte bewusst unwahre Angaben (hier: durch Verschweigen einer Teilzeitbeschäftigung nebst der Angabe, dass er über eigene Einkünfte nicht verfüge), so kann sein Trennungsunterhaltsanspruch (jedenfalls für einen begrenzten Zeitraum) verwirkt sein. (Rn 7)
2. Ein schweres Fehlverhalten i.S.d. § 1579 Nr. 2 BGB, der für den Trennungsunterhaltsanspruch entsprechende Anwendung findet, kann auch bei einem versuchten oder vollendeten Verfahrensbetrug zum Nachteil des Unterhaltsverpflichteten gegeben sein. (Rn 8)
3. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Unterhaltsgläubigers sind ungefragt, richtig und vollständig mitzuteilen, da nur dann eine zutreffende Beurteilung der materiellen Rechtslage und eine darauf aufbauende richtige Berechnung des Unterhaltsanspruchs möglich ist.
1. Ein Unterhaltsgläubiger hat im Rahmen seiner prozessualen Wahrheitspflicht erhaltene Zuwendungen Dritter auch dann zu offenbaren, wenn er diese für unterhaltsrechtlich unbeachtlich hält.
2. Werden regelmäßige Unterstützungsleistungen erbracht, stehen auch weit entfernte Wohnsitze der Annahme einer das eigene Auskommen sichernden Lebensgemeinschaft nicht entgegen. Werden die eigene Bedürftigkeit nachhaltig beeinflussende Umstände bewusst verschwiegen, kann gezahlter Unterhalt im Wege des Schadensersatzes zurückgefordert werde...