Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 188
Nach § 1613 BGB kann Unterhalt für die Vergangenheit bereits ab dem Auskunftsbegehren verlangt werden, das zum Zwecke der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruches verlangt wurde. Diese Möglichkeit, die rückwirkende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen zu wahren, bietet zwei praktisch relevante Vorteile.
Rz. 189
Zum einen wird dieser Unterhalt vom 1. Tag des Monats an geschuldet, in dem das Auskunftsschreiben zugegangen ist. Festgestellt werden muss daher nur der Monat des Zugangs, nicht der genaue Tag. Eine Quotelung der Unterhaltsforderung nach einzelnen Tagen ist daher nicht erforderlich.
Rz. 190
Die Verzugswirkungen treten zudem in diesen Fällen immer in Höhe des später beziffert geforderten und in gleicher Höhe gerichtlich zuerkannten Betrages ein. Es tritt mithin eine Art "Rahmenverzug" ein.
Rz. 191
Erforderlich ist aber, dass der Unterhaltspflichtige zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist,
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über seine Einkünfte |
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und sein Vermögen |
Auskunft zu erteilen.
Wegen des Schuldnerschutzes sind die Regeln im Hinblick auf die Warnfunktion streng anzuwenden:
Voraussetzung rückwirkender Durchsetzung ist, dass die Aufforderung zur Auskunft zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs erfolgt ist. Daher muss auf eine ganz bestimmte Unterhaltslage hingewiesen werden. Das bedeutet, dass die jeweils Unterhalt beanspruchende Person genau bezeichnet werden muss, deren Unterhaltsanspruch später durchgesetzt werden soll. Nur so kann die mit der gesetzlichen Regelung beabsichtigte Warnfunktion für den Unterhaltsschuldner erreicht werden; nur dann ist dem Unterhaltspflichtigen klar, für wen er in Zukunft Unterhalt leisten soll.
Der zugrunde liegende Auskunftsanspruch muss bestehen und fällig sein.
1. Adressat des Auskunftsverlangens
Rz. 192
Da die Mahnung eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist, muss sie auch an den richtigen Empfänger gerichtet werden. Hier ergeben sich in der Praxis einige Fallstricke.
Rz. 193
Praxistipp
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Die Mahnung muss an die zutreffende Anschrift übersandt worden sein. |
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Die an einen Rechtsanwalt gerichtete Mahnung ist nur dann korrekt, wenn dieser auch für diesen Regelungsbereich Empfangsvollmacht hat. |
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Von einer Empfangsvollmacht des Verfahrensbevollmächtigten gemäß § 164 Abs. 3 BGB kann nur dann ausgegangen werden, wenn sich zumindest aus den Umständen ergibt, dass der Verfahrensbevollmächtigte auch für das konkrete Unterhaltsverfahren (also Kindesunterhalt, Ehegattenunterhalt) empfangsbevollmächtigt ist. |
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Allein die Tatsache, dass der Bevollmächtigte des Auskunftspflichtigen diesen im Scheidungsverfahren vertreten hat, reicht jedenfalls nach rechtskräftigem Abschluss des Scheidungsverfahrens nicht ohne weiteres aus. |
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Auch die Bevollmächtigung in einem früheren güterrechtlichen Verfahren reicht nicht aus. |
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Den Bevollmächtigten des Unterhaltspflichtigen trifft zwar seinem (früheren) Mandanten gegenüber die Pflicht zur Weiterleitung der Schriftsätze an diesen. Er hat jedoch keine weitere Verpflichtung, den Unterhaltsberechtigten, der Zahlung verlangt, auf seine fehlende Empfangsvollmacht hinzuweisen. |
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Eine mögliche Verkehrssitte, kann den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners ebenfalls nicht als Empfangsboten ausweisen. |
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Damit bleibt aber der Zeitpunkt unklar, an dem der Unterhaltspflichtige selbst die Auskunftsaufforderung rechtswirksam erhalten hat. |
2. Absender des Auskunftsverlangens
Rz. 194
Das Auskunftsverlangen ist – wie die Mahnung – eine empfangsbedürftige, geschäftsähnliche Willensäußerung, auf die die Vorschriften über Rechtsgeschäfte und Willenserklärungen entsprechende Anwendung finden. Beim Unterhalt von Minderjährigen sind die Regeln der gesetzlichen Vertretung und die Spezialregel des BGB § 1629 zu beachten, d.h. die Auskunftsaufforderung muss durch die richtige (= berechtigte) Person ausgesprochen worden sein.
3. Auskunftsverlangen durch einen Verfahrensbevollmächtigten – § 174 BGB
Rz. 195
In Literatur und Rechtsprechung wird vertreten, dass § 174 BGB analog anzuwenden ist und folglich dem Auskunftsbegehren durch einen Rechtsanwalt grundsätzlich eine Vollmachtsurkunde im Original beizufügen ist.
Der Empfänger einer anwaltlichen Auskunftsforderung, dem die Originalvollmacht nicht beigefügt war, ist dann berechtigt zur unverzüglichen Zurückweisung (§ 174 S. 1 2. HS). Die zurückgewiesene Auskunftsaufforderung hat keine Rechtswirkungen, löst folglich auch keinen Verzug aus.
Rz. 196
Praxistipp
Um das Risiko einer Zurückweisung nach § 174 BGB auszuschließen, ist es daher ratsam, vorsorglich eine Vollmachtsurkund...