Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 103
Von Bedeutung ist auch, wenn die Berechtigte selbst durch eigene Aktivitäten den eingetretenen Nachteil nach Trennung bzw. Scheidung bereits tatsächlich – ganz oder teilweise – abgebaut hat. Denn ein tatsächlich nicht mehr vorhandener Nachteil muss auch unterhaltsrechtlich nicht mehr ausgeglichen werden.
Rz. 104
Zitat
Somit durfte das Berufungsgericht davon ausgehen, dass die Ehefrau bereits in der Trennungszeit wieder das Vergütungsniveau ihrer vorehelich angelegten beruflichen Möglichkeiten erreicht hatte, so dass ehebedingte Fortkommensnachteile bereits damals nicht mehr gegeben waren. Dass die Ehefrau aus ehebedingten Gründen dauerhaft daran gehindert gewesen wäre, die in der Trennungszeit ausgeübte Halbtagstätigkeit alsbald in eine Vollzeittätigkeit – ggf. in einem anderen Anstellungsverhältnis – auszuweiten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
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OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.12.2012 – 7 UF 106/12 |
Überdies sieht der Senat in der Tatsache, dass die Antragstellerin mittlerweile durch ihre Berufstätigkeit ihre ehebedingten Nachteile ausgeglichen hat, eine besondere im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigende Lebensleistung, die den Antragsgegner hinsichtlich der Höhe seiner Zahlungsverpflichtung massiv entlastet.
Rz. 105
Zitat
OLG München v. 18.2.2009 – 12 UF 1277/08
Zutreffend weist die Beklagte zwar darauf hin, dass ein wesentlicher ehebedingter Nachteil darin lag, dass sie mit der Eheschließung ihre Berufsausbildung abgebrochen hat. Dieser Nachteil ist aber mittlerweile dadurch kompensiert worden, dass sie eine Ausbildung zur Fußpflegerin erfolgreich abgeschlossen hat und in diesem Beruf auch gearbeitet hat.
Rz. 106
Schwieriger ist die Situation, wenn es darum geht, ob die Berechtigte den Nachteil zwar noch nicht abgebaut hat, sie es aber – den allgemeinen unterhaltsrechtlichen Obliegenheiten entsprechend – noch könnte oder sogar bereits in der Vergangenheit hätte können. Denn die Unterhaltsberechtigte ist gehalten, vorhandene Nachteile abzubauen, sofern dies möglich ist (Fortbildung, Umschulung, berufliche Wiedereingliederungsmaßnamen).
Hatte die Berechtigte selbst eine solche Möglichkeit, durch eigene Aktivitäten den eingetretenen Nachteil abzubauen und wurde sie nicht genutzt, kann daran ein unterhaltsrechtlicher Vorwurf geknüpft werden.
Zitat
Ein ehebedingter Nachteil, der darin besteht, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte auch nachehelich geringere Versorgungsanrechte erwirbt, als dies bei hinweggedachter Ehe der Fall wäre, ist grundsätzlich als ausgeglichen anzusehen, wenn er für diese Zeit Altersvorsorgeunterhalt zugesprochen erhält oder jedenfalls erlangen kann.
Ein ehebedingter Nachteil, der darin besteht, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich geringere Versorgungsanrechte erwirbt als dies bei hinweggedachter Ehe der Fall wäre, ist grundsätzlich als ausgeglichen anzusehen, wenn er Altersvorsorgeunterhalt hätte erlangen können.
Der ehebedingte Nachteil geringerer Versorgungsanwartschaften setzt sich zwar fort, wenn ein Ehegatte auch nach der Ehezeit noch aufgrund der gewählten Rollenverteilung, insbesondere wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder, gehindert ist, ausreichende Rentenanwartschaften durch eigene Erwerbstätigkeit aufzubauen. Dieser Nachteil wird jedoch ausgeglichen, wenn der betreuende Ehegatte zum Zwecke der freiwilligen Erhöhung seiner Altersrente und Invaliditätsabsicherung einen über den Elementarunterhalt hinausgehenden Vorsorgeunterhalt gemäß § 1578 Abs. 3 BGB erlangen kann.
Für die anwaltliche Praxis hat diese Entscheidung zur Konsequenz, dass verstärkt auch auf die Durchsetzung von Altersvorsorgeunterhalt geachtet werden muss. Denn andernfalls kann im Unterhaltsrechtsstreit ein unbegrenzter Aufstockungsunterhalt verweigert werden mit der Begründung, dass Vorsorgeunterhalt neben dem Elementarunterhalt hätte beansprucht werden können. Hier lauert eine Regressfalle für die anwaltliche Praxis.
Zitat
BGH v. 25.9.2019 – XII ZB 25/19
Jedenfalls wenn der Unterhaltspflichtige eine unterhaltsrechtlich anzuerkennende zusätzliche Altersvorsorge betreibt, ist es geboten, dies auch dem Unterhaltsberechtigten durch eine entsprechende Erhöhung des Altersvorsorgeunterhalts zu ermöglichen.
Rz. 107
Hinweis
Rückwirkend kann Altersvorsorgeunterhalt nur verlangt werden, wenn der Unterhaltspflichtige in Verzug gesetzt worden ist. Es reicht aber aus, dass vom Unterhaltspflichtigen Auskunft mit dem Ziel der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs begehrt worden ist. Eine gesonderte Auskunftsaufforderung bezogen auf Altersvorsorgeunterhalt ist nicht erforderlich. Eine Nachforderung ist jedoch ausgeschlossen, wenn im vorangegangenen Leistungsverfahren vergessen worden ist, Vorsorgeunterhalt geltend zu machen.