Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 125
Eine Krankheit als solche ist in aller Regel nicht ehebedingt. Das gilt auch dann, wenn eine psychische Erkrankung durch die Ehekrise und Trennung ausgelöst worden ist.
Rz. 126
Entsprechendes gilt auch für den Altersunterhalt.
Rz. 127
Beim Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB kann sich ein ehebedingter Nachteil nur daraus ergeben, dass ein Unterhaltsberechtigter aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe nicht ausreichend für den Fall der krankheitsbedingten Erwerbsminderung vorgesorgt hat und seine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung (Erwerbsunfähigkeitsrente) infolge der Ehe (Haushaltsführung sowie Kindererziehung) geringer ist, als sie ohne die Wirkungen der Ehe wäre.
Rz. 128
Allerdings kann der Nachteil nicht darin gesehen werden, dass der berechtigte Ehegatte keine Rentenanwartschaften begründen konnte, denn diese werden durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen, siehe oben Rdn 55.
Rz. 129
Für die unterhaltsrechtliche Beurteilung ist immer ein Vergleich zu ziehen zwischen
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der tatsächlichen Einkommenssituation der geschiedenen Ehefrau und |
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der fiktiven Einkommenssituation der ledigen, durchweg beim Eintritt der Krankheit oder des Alters erwerbstätigen Ehefrau. |
Der ehebedingte Nachteil beurteilt sich folglich bei einem erwerbsfähigen Ehegatten nach der Differenz zwischen dem tatsächlichen Einkommen und demjenigen, dass er ohne Unterbrechung der Erwerbstätigkeit infolge der Ehe oder Kindererziehung erzielen könnte. Eine Schätzung nach § 287 ZPO ist bei ausreichender Grundlage zulässig.
Rz. 130
Beim Krankheitsunterhalt ist danach zu differenzieren, ob eine Teilerwerbstätigkeit noch möglich ist oder nicht.
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Ist eine Teilerwerbstätigkeit möglich, liegt regelmäßig der ehebedingte Nachteil darin, dass das jetzige Einkommen aus dieser teilschichtigen Tätigkeit geringer ist als das, was die Berechtigte ohne Erwerbsunterbrechung erzielen könnte. Maßstab ist allerdings hier auch die Teilerwerbstätigkeit, da die krankheitsbedingte Erwerbsbeeinträchtigung auch ohne die Ehe gegeben wäre. |
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Ist der unterhaltsberechtigte Ehegatte nicht erwerbstätig und erzielt er eine Erwerbsunfähigkeitsrente, sind ehebedingte Nachteile im Regelfall durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen, der sich ja auch auf die Höhe dieser Erwerbsunfähigkeitsrente auswirkt. Der BGH stellt folglich bei vollständiger Erwerbsunfähigkeit für den angemessenen Lebensbedarf auf die Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente ab. |
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In jedem Fall muss jedoch das – vom BGH derzeit mit 800 EUR angesetzte – Existenzminimum als untere Grenze des Bedarfes sichergestellt sein. Dies wird – ohne weitere Billigkeitskontrolle – in vielen Fällen dazu führen, dass es bei dem Existenzminimum sein Bewenden hat. |
Rz. 131
Liegt kein solcher ehebedingter Nachteil vor, der unterhaltsrechtlich ausgeglichen werden muss, ist Billigkeitsmaßstab für die Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Unterhalts allein die fortwirkende Solidarität im Licht des Grundsatzes der Eigenverantwortung.
Rz. 132
Praxistipp
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Die Rechtsprechung zu § 1578b BGB weist erhebliche Parallelen zum Haftungsrecht aus, weil bei der Festlegung des Unterhaltsanspruches ähnlich wie bei schadensersatzrechtlichen Überlegungen lediglich die Ehe weggedacht werden soll, nicht aber die übrigen Umstände. |
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Durch den Unterhaltsanspruch der kranken Ehefrau wird ihr daher der Lebensstandard einer kranken ledigen Frau gewährt, nicht der Standard einer geschiedenen gesunden Frau! |
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Ihr Bedarf entspricht der – fiktiven – Erwerbsunfähigkeitsrente, die sie bei ununterbrochener Erwerbstätigkeit aufgrund ihrer erkrankungsbedingten Erwerbsunfähigkeit erzielen würde. |
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Mindestens aber muss allerdings ihr Existenzminimum gesichert sein; hiervon sind die ggf. durch geringfügige Tätigkeiten erzielten oder erzielbaren Einkünfte abzuziehen. |
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Entsprechendes gilt auch beim Altersunterhalt. Ist der Unterhaltsberechtigte bereits Rentner, kann lediglich auf das Renteneinkommen aus einer solchen Erwerbstätigkeit abgestellt werden, wobei von der tatsächlichen Rente nach durchgeführtem Versorgungsausgleich auszugehen ist. |
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Eine Befristung ist i.d.R. naheliegend, weil eine dauerhafte Unterhaltspflicht allein wegen der schicksalhaften, lediglich im zeitlichen Zusammenhang mit der Ehe stehenden Krankheit (allgemeines Lebensrisiko) ungerechtfertigt ist. |
Rz. 133
Zitat
Auch wenn keine ehebedingten Nachteile vorliegen, ist eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nur bei Unbilligkeit eines fortdauernden Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen begründet. Bei der insoweit gebotenen Billigkeitsabwägung hat das Familiengericht das im Einzelfall gebotene Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen, wobei vor allem die in § 1578b Abs. 1 Satz 3 BGB aufgeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind (BGH, Urt. v. 2.3.2011 – XII ZR 44/09). In die Abwägung einzubeziehen sind e...