Dr. iur. Wolfram Viefhues
1. Darlegungs- und Beweislast
Rz. 172
Die Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Tatsachen, die Grundlage für eine Beschränkung nach § 1578b BGB werden sollen, trägt grundsätzlich der Unterhaltsverpflichtete, jedoch kann die Unterhaltsberechtigte sich nicht darauf verlassen, keinerlei Darlegungen machen zu müssen.
Rz. 173
Dabei geht der BGH in std. Rspr. von folgender Systematik des Wechselspiels der Darlegungs- und Beweislast bei § 1578b BGB aus, das auf den allgemeinen Grundsätzen zum Beweis negativer Tatsachen beruht.
Im ersten Schritt trifft den Unterhaltspflichtigen die Darlegungs- und Beweislast, denn diese Vorschrift ist als Ausnahmetatbestand von einer unbefristeten Unterhaltspflicht konzipiert. Der Unterhaltspflichtige muss also das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen und der Billigkeitsgesichtspunkte darlegen, ebenso die Kriterien für die Länge der Übergangsfrist oder den fehlenden Zusammenhang von Erwerbslosigkeit und Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse. Dabei müssen die Umstände, die zu einer Befristung führen, soweit feststehen, dass eine sichere Prognose möglich ist.
Rz. 174
Hat der Unterhaltspflichtige durch substantiierten Tatsachenvortrag dargelegt, dass keine ehebedingten Nachteile vorhanden sind oder früher vorhandene ehebedingte Nachteile weggefallen sind, muss nunmehr die Unterhaltsberechtigte ihrerseits dartun, dass trotzdem eine Begrenzung ausscheidet oder zumindest eine längere Schonfrist zuzubilligen ist (sog. sekundäre Darlegungslast). Jedoch trifft die Berechtigte nicht die entsprechende Beweislast!
Rz. 175
Für die praktische Behandlung der einschlägigen Fälle ergeben sich folgende Fallvarianten:
Beispiele: Fallvarianten
1. |
Wenn die Unterhaltsberechtigte wieder vollschichtig in ihrem erlernten Beruf arbeitet und damit ein Einkommen in gleicher Höhe erzielt, das sie auch ohne Ehe erzielen würde, sind keine ehebedingten Nachteile ersichtlich. Es ist dann ihre Aufgabe, Gründe vorzutragen und ggf. nachzuweisen, die gegen eine Begrenzung sprechen oder zumindest eine längere Schonfrist rechtfertigen. Denn dann geht es um die hypothetische Entwicklung im Berufsleben der Berechtigten ohne die Ehe. Diese hypothetische Entwicklung kann der Unterhaltspflichtige aber nicht darlegen. Daher trifft insoweit entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zum Beweis negativer Tatsachen die Berechtigte die Pflicht, konkret darzulegen, dass ihre berufliche Entwicklung ohne Ehe besser verlaufen wäre. Dazu muss die Berechtigte die hypothetische Entwicklung, wie ihr Leben ohne die Eheschließung und die Kindererziehung verlaufen wäre, plausibel darstellen. |
2. |
Erzielt die Berechtigte allerdings aus ihrer tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit ein geringeres Einkommen als das Einkommen, das sie bei Fortsetzung der ehebedingt aufgegeben Tätigkeit heute erzielen würde, besteht auf Dauer ein ehebedingter Nachteil in Höhe des Differenzbetrages. |
3. |
Arbeitet die Berechtigte in einem anderen als dem erlernten und vor der Ehe ausgeübten Beruf, so sind für die Annahme, dass sie ein gleich hohes Einkommen erzielt (= keine ehebedingten Nachteile vorliegen), besondere Feststellungen erforderlich. |
4. |
Jetzt muss wiederum der Unterhaltspflichtige diesen Nachteil widerlegen. Konkret bedeutet dies, dass er substantiiert Tatsachen für die Schlussfolgerung vortragen muss, die Unterhaltsberechtigte könne – bei Wiedereinstieg in ihrem alten Beruf oder durch eine anderweitige Berufstätigkeit – ein höheres Einkommen erlangen. Dazu reichen lediglich pauschal erhobene Behauptungen nicht aus. Das Familiengericht muss sich in seiner Entscheidung nicht mit allen möglichen Mutmaßungen befassen, wenn sie nicht ausnahmsweise an objektivierbaren Tatsachen festgemacht werden können, die starke Indizwirkung für ein behauptetes tatsächliches Geschehen zeigen. Diese Darlegung fällt umso schwerer, je weniger man sich auf greifbare Tatsachen stützen kann. Nicht jede denkbare verpasste Chance stellt einen Nachteil dar. Insbesondere bei einem freiberuflich tätigen Ehegatten (Ärztin, Rechtsanwältin), der zeitweise familienbedingt seine Berufstätigkeit eingestellt und so auf seine fachliche Weiterentwicklung und den Aufbau bzw. Ausbau einer einträglichen freiberuflichen Praxis hat verzichten müssen, dürfte ein hypothetischer beruflicher Aufstieg schwer darzulegen sein. |
Rz. 176
Beispiel aus der Rechtsprechung:
Zitat
"Diese Grundsätze zugrunde gelegt ist zunächst zu beachten, dass die Antragsgegnerin keine ehebedingten Nachteile ausreichend substantiiert dargelegt hat. Unstreitig ist die Antragsgegnerin in ihrem erlernten Beruf als Physiotherapeutin mit einer Vollzeitstelle tätig. Alleine aufgrund der Dauer der Ehe und des Umstandes, dass sie sich der Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kinder und der Gestaltung der Haushaltsführung während der Ehe gewidmet hat, kann vorliegend jedoch nicht ohne weiteres auf einen ehebedingten Nachteil geschlossen werden. Es fehlt an der Darlegung eines...