Burkhard Engler, Frank-Michael Goebel
Rz. 258
Einwendungen gegen die Pfändung können je nach ihrer Art vom Drittschuldner grundsätzlich gegenüber der Einziehungsklage oder im Wege der Erinnerung nach § 766 ZPO geltend gemacht werden. Die Erinnerung stellt eine Option für den Drittschuldner dar, selbst aktiv tätig zu werden und möglicherweise ein aufwendigeres Einziehungsklageverfahren zu vermeiden.
Rz. 259
Im Einziehungsprozess allerdings können nur solche vollstreckungsrechtlichen Einwendungen geltend gemacht werden, die zur Nichtigkeit (Unwirksamkeit) des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses führen. Führt der Fehler lediglich (wie meist) zur Anfechtbarkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, ist es dem dafür funktionell ausschließlich zuständigen Vollstreckungsgericht vorbehalten, den angefochtenen Beschluss auf die Erinnerung des Drittschuldners aufzuheben. Ein anhängiger Zahlungsprozess ist bis zur Entscheidung über die Erinnerung auszusetzen, wenn der Schuldner oder Drittschuldner den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss anficht.
Rz. 260
Im Einziehungsprozess kann der Drittschuldner deshalb Einwendungen lediglich z.B. in dem unwahrscheinlichen Fall geltend machen, wenn:
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der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss von einem funktionell unzuständigen Organ (z.B. Gerichtsvollzieher; was nicht für die Vorpfändung gilt) erlassen wurde oder |
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die Zwangsvollstreckung ohne Titel erfolgte. |
Rz. 261
Fehler, die grundsätzlich zur Nichtigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses führen, können ebenfalls mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO geltend gemacht werden, um den Rechtsschein der Wirksamkeit zu beseitigen.
Rz. 262
Die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, die auf die Erinnerung des Drittschuldners hin ergeht, erwächst in materieller Rechtskraft und bindet das Prozessgericht bei der Entscheidung über die Einziehungsklage.
Rz. 263
Umstritten ist im Rahmen der Lohnpfändung, ob der Einwand eines Verstoßes gegen die §§ 850 ff. ZPO nur mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO geltend gemacht werden kann oder ob der Drittschuldner sich im Einziehungsprozess auf einen solchen Verstoß berufen kann. Da ein Fehler im Rahmen der §§ 850 ff. ZPO nach herrschender Auffassung nicht zur Nichtigkeit, sondern lediglich zur Anfechtbarkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses führt, besteht auch die Einziehungsermächtigung (des Gläubigers) bis zur Entscheidung des dafür funktionell zuständigen Vollstreckungsgerichts. Im Einziehungsprozess können derartige Fehler deshalb nach herrschender Meinung nicht geltend gemacht werden.
Rz. 264
Die Erinnerungsbefugnis im Rahmen der Vorschrift des § 766 ZPO steht dem Drittschuldner deshalb zu, weil zwischen ihm und dem Gläubiger ein besonderes Einziehungsverhältnis hergestellt wird und damit durch eine fehlerhafte Pfändung in die Rechtssphäre des Drittschuldners eingegriffen wird. Diese Erinnerungsbefugnis besteht auch bei der Verletzung von Vorschriften, die zum Schutze des Schuldners geschaffen worden sind, also vor allem den §§ 850 ff. ZPO, weil der Drittschuldner mit der Erinnerung zugleich seine (eigene) Leistungspflicht gegenüber dem Pfändungsgläubiger nach Maßgabe der Unpfändbarkeitsbestimmungen beschränken kann.
Rz. 265
Checkliste: Einwendungen des Arbeitgebers bei der Drittschuldnerklage
Der Arbeitgeber darf als Drittschuldner mit der Erinnerung nach § 766 ZPO insbesondere geltend machen:
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die Unzuständigkeit des Vollstreckungsgerichts, |
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Zustellungsmängel, |
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die unterlassene Stellung einer angeordneten und (noch) notwendigen Sicherheitsleistung, |
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die unzureichende Bezeichnung der Lohnforderung, |
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Formmängel in dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, |
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Unklarheiten über die Rangfolge der Pfändungen und Abtretungen, |
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die ungenaue oder unzureichende Zusammenrechnung mehrerer Arbeitseinkommen, |
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die Nichtbeachtung der Lohnpfändungsbeschränkungen nach den §§ 850 ff. ZPO, |
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eine unrichtige Festsetzung der Pfändungsgrenze nach § 850d ZPO, |
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die Ungewissheit über die Zahl der zu berücksichtigenden Unterhaltsberechtigten sowie |
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Unklarheiten bei der Bestimmung des Auszahlungszeitraums. |
Rz. 266
Tipp
Der richtige Weg ist es also, dass sich der Drittschuldner bei Unklarheiten des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an das Vollstreckungsgericht wendet, um Zweifel an seinen Rechten und Pflichten zu beseitigen, statt diese Zweifel als Einwendungen im Drittschuldnerprozess zu erheben. In der Praxis wird von dieser Möglichkeit wenig Gebrauch gemacht. Dabei kann dahinstehen, ob man einen solchen Antrag auf Klarstellung als Erinnerung im Sinne von § 766 ZPO ansieht oder nicht. Im Falle der Blankettpfändung ist es lediglich Klarstellung; im Falle des § 850d ZPO kann auch eine auf Erinnerung hin folgende Abänderung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in Betracht kommen.
Rz. 267
In weiteren Fällen wird die Einholung einer klarstellenden Entscheidung des Vollstreckungsgerichts sinnvoll sein.
Beispiel
Wenn zweifelhaft ist:
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mit welchem Wert die Naturalleistung bei der Zusammenrechnung mit dem... |