Carsten Beisheim, Gertrud Romeis
I. Allgemeine Compliance-Richtlinien
Rz. 2
Bei der Einführung von Compliance-Richtlinien muss der Arbeitgeber die einschlägigen Mitbestimmungsrechte beachten, wie sie sich insbesondere aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 BetrVG ergeben können. Darüber hinaus ist an besondere Regelungen wie an die allgemeine Informationspflicht nach § 80 Abs. 2 BetrVG oder schulungsbezogen an § 98 Abs. 6 BetrVG zu denken. Ob Compliance-Schulungsmaßnahmen indes Bildungsmaßnahmen im Sinne dieser Norm sind, ist umstritten (Kempter/Steinat, NZA 2017, 1505, 1509).
Rz. 3
Ob und inwieweit Compliance-Richtlinien der Mitbestimmung unterliegen, hängt von den einzelnen Compliance-Regeln ab; insoweit bedarf es also jeweils einer isolierten Prüfung der konkreten Bestimmungen (BAG v. 22.7.2008 – 1 ABR 40/07; Neufeld/Knitter, BB 2013, 821, 822; Reinhard, NZA 2016, 1233, 1233). Ein Mitbestimmungsrecht kommt dann nicht in Betracht, wenn und soweit im CoC lediglich ohnehin bestehende gesetzliche Pflichten wiedergegeben werden. Solchen, nur die Gesetzeslage verdeutlichenden Statements kommt kein eigenständiger Regelungsgehalt zu. Dem Betriebsrat steht demgegenüber lediglich bei den Maßnahmen ein Mitbestimmungsrecht zu, die das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betreffen, mithin das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer (BAG v. 27.1.2004 – 1 ABR 7/03). Dies gilt darüber hinaus nur insoweit, als ein betriebspartnerschaftlich auszufüllender Regelungsspielraum besteht (BAG v. 25.1.2000 – 1 ABR 3/99; Zimmer/Heymann, BB 2010, 1853, 1854). Das Arbeitsverhalten als solches, mit dem der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht erfüllt, ist nicht mitbestimmungspflichtig.
II. Beschwerdestelle
Rz. 4
Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats mit Blick auf die Frage, wo der Arbeitgeber die Beschwerdestelle nach § 13 AGG einrichtet (vgl. § 76), besteht weder nach dem AGG noch nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, denn es handelt sich insoweit um eine organisatorische Entscheidung des Arbeitgebers (BAG v. 21.7.2009 – 1 ABR 42/08). Entsprechendes gilt für die Frage der personellen Besetzung. Bezüglich der Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens indes, namentlich wenn beispielsweise eine Verfahrensordnung und darin geregelte Sanktionen Einfluss auf das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer haben, kann ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Betracht kommen (ErfK/Schlachter, AGG § 13 Rn 2 m.w.N.).
III. Whistleblowing-Klauseln
Rz. 5
Eine Mitbestimmungspflicht besteht entsprechend bei den sog. Whistleblowing-Klauseln. Diese Klauseln sehen vor, dass Fälle von Non-Compliance an eine genau aufgeführte Stelle mitzuteilen sind. Sie statuieren damit in der Regel für die Mitarbeiter eine Meldeverpflichtung (Schulz, BB 2011, 629).
Zwar ist jeder Arbeitnehmer aufgrund der aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden Treuepflicht verpflichtet, vom Arbeitgeber und anderen Arbeitnehmern Schaden abzuwenden (BAG v. 1.6.1995 – 6 AZR 912/94; BAG v. 23.2.1989 – IX ZR 236/86; LAG Berlin v. 9.1.1989 – 9 Sa 93/88). Eine Klausel, die einem Arbeitnehmer auferlegt, Verstöße gegen eine Compliance-relevante Vorgabe zu melden, geht aber über diese Treuepflicht hinaus und gibt eine standardisierte Verhaltenspflicht vor. Mithin ist die betriebliche Ordnung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG betroffen, denn die Statuierung einer Meldeverpflichtung beeinflusst auch das Miteinander der Arbeitnehmer im Unternehmen. Dies hat zur Konsequenz, dass dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht (BAG v. 22.7.2008 – 1 ABR 40/07; LAG Düsseldorf v. 14.11.2005 – 10 TaBV 46/05; Reinhard, NZA 2016, 1233, 1234). Dieses besteht selbst unter der Bedingung, dass dem Arbeitnehmer ein Handlungsspielraum in Gestalt eines Ermessensspielraums überlassen wird. Auch dann existiert eine Vorgabe, die die Ordnung im Betrieb regeln soll (a.A. Hauschka/Moosmayer/Lösler/Mengel, Corporate Compliance, 2016, § 39 Rn 74). Entsprechendes gilt mit Blick auf die Frage, auf welche Art und Weise, also insbesondere auf welchem Wege, die Mitteilung zu erfolgen hat (BAG v. 22.7.2008 – 1 ABR 40/07).
IV. Geschenke und Zuwendungen
Rz. 6
Weiterhin steht dem Betriebsrat im Zusammenhang mit einem CoC, der festlegt, dass Arbeitnehmer von Lieferanten und anderen Dritten keine Geschenke und Zuwendungen annehmen dürfen, ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu. In Bezug auf diese Geschenke hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht mit Blick auf die Fragen, ob und in welchem Wert die Arbeitnehmer übliche Werbegeschenke (wie z.B. Kugelschreiber und Kalender) einbehalten dürfen, in welchen Fällen sie diese Geschenke an den Lieferanten zurückgeben müssen, in welchen Fällen eine Herausgabe an den Arbeitgeber erfolgen muss und wann und unter welchen Umständen der Vorgesetzte in Kenntnis gesetzt werden muss. Die insoweit getroffenen Regelungen gehen über das gesetzliche Verbot von Bestechung und Korruption hinaus und geben also nicht nur die Gesetzeslage wieder (LAG Düsseldorf v. 14.11.2005 – 10 TaBV 46/05; Reinhard, NZA 2016, 1233, 1236).
V. Privatnutzung von E-Mail, Internet und Speichermedien
Rz. 7
Regelungen, die sich auf die Privatnutzung von E-Mail-Accounts oder des Internets beziehen,...