Dr. iur. Berthold Hilderink
Rz. 40
Mit der Aufnahme des Rechtfertigungsgrundes der Ausübung oder Erfüllung der sich aus einem Gesetz oder einem Tarifvertrag, einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung (Kollektivvereinbarung) ergebenden Rechte und Pflichten der Interessenvertretung der Beschäftigten in § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG hat der Gesetzgeber eine im BDSG a.F. bestehende lückenhafte Regelung ergänzt. Der Text des § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG a.F. enthielt keine ausdrückliche Regelung für die Weitergabe personenbezogener Daten an die Arbeitnehmervertretung, wenn diese einen solchen Anspruch zur Erfüllung ihrer Aufgaben geltend machte. Daher hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit beispielsweise nur einer erweiternden Auslegung des § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG a.F. entnommen, dass es datenschutzrechtlich zulässig ist, dem Betriebsrat ein Verzeichnis zu übergeben, welches besonders geschützte Datenkategorien i.S.v. § 3 Abs. 9 BDSG a.F. von Mitarbeitern enthält, die an Maßnahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements teilnehmen. Hierzu war es erforderlich, den in § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG a.F. enthaltenen Rechtsfertigungsgrund (Erhebung, Verarbeitung und Nutzung besonderer Kategorien personenbezogenen Daten i.S.v. § 3 Abs. 9 BDSG a.F. zur Ausübung rechtlicher Ansprüche) so auszulegen, dass dieser auch die Nutzung von Daten durch den Arbeitgeber zur Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten gegenüber dem Betriebsrat umfasst (BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 46/10, Rn 29 f.; zur Verarbeitung personenbezogener Daten aufgrund von Kollektivvereinbarungen siehe im Einzelnen Rdn 87 f.).
Die neue Formulierung trägt somit auch der Tatsache Rechnung, dass mitbestimmungsrechtliche Vorschriften – wie insbesondere das BetrVG – der DSGVO nicht per se vorgehen, sondern sich an deren Maßstäben messen lassen müssen (vgl. Paal/Pauly, DSGVO, Einl. Rn 16; die DSGVO geht den Gesetzen der Mitgliedstaaten grundsätzlich vor, vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV; vgl. hierzu auch im Einzelnen Rdn 91 f., vgl. auch Rdn 115).
Rz. 41
§ 26 Abs. 1 BDSG enthält keine Einschränkung nur auf die Weitergabe von Daten durch Arbeitgeber. Das in § 26 Abs. 1 BDSG enthaltene datenschutzrechtliche Erforderlichkeitsprinzip bindet damit sowohl den Arbeitgeber bei der Auswahl und Weitergabe personenbezogener Beschäftigtendaten an Interessenvertretungen von Beschäftigten als auch den Betriebsrat oder andere Interessenvertretungen selbst bei der weiteren Verarbeitung der empfangenen personenbezogenen Daten. Damit verdrängt § 26 Abs. 1 BDSG insofern sowohl für Arbeitgeber als auch für Interessenvertretungen von Beschäftigten die allgemeineren Vorschriften zur Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen nach Art. 6 Abs. 1 lit. c) und Abs. 3 DSGVO (Kort, ZD 2016, 555, 557; Wybitul, NZA 2017, 413, 416).