Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
A. Einleitung und rechtliche Grundlagen
Rz. 470
Durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ist das einheitlich geregelte Darlehensrecht, bisher geregelt in den §§ 607 ff. BGB, in den Gelddarlehensvertrag (§§ 488–498 BGB) und den Sachdarlehensvertrag (§§ 607–609 BGB) getrennt worden. Beide Verträge sind nunmehr als Konsensualverträge ausgestaltet, weshalb der Theorienstreit (Real-/Konsensualvertrag) keine Rolle mehr spielt. In der Praxis kommt der Sachdarlehensvertrag so gut wie nicht vor. Der "klassische" Darlehensvertrag ist das Gelddarlehen. Für die Pfändung spielt die Unterscheidung nur eine marginale Rolle; wichtig ist sie in anderen Punkten. Der Darlehensvertrag ist Gelddarlehensvertrag und der Sachdarlehensvertrag wird vom Gesetz so bezeichnet.
Rz. 471
Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen (§ 488 Abs. 1 BGB).
Rz. 472
Durch den Sachdarlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer eine vereinbarte vertretbare Sache zu überlassen. Der Darlehensnehmer ist zur Zahlung eines Darlehensentgelts und bei Fälligkeit zur Rückerstattung von Sachen gleicher Art, Güte und Menge verpflichtet (§ 607 Abs. 1 BGB).
Rz. 473
Für die Zwangsvollstreckung muss – bei beiden Darlehensarten – unterschieden werden zwischen
Rz. 474
Beide Ansprüche sind grundsätzlich nach § 829 ZPO wie andere – auch künftige – Forderungen pfändbar und können nach § 835 ZPO dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen werden. Die Pfändung einer Forderung auf Darlehensauszahlung ist allerdings nichtig, wenn im Zeitpunkt der Pfändung wegen eines wirksamen Abtretungsverbots im Darlehensvertrag ein Anspruch in der Person des Schuldners gegen den Drittschuldner nicht besteht.
Hinweis
Tritt der Käufer eines Grundstücks zur Sicherung des Verkäufers seinen Anspruch auf Auszahlung der Darlehensvaluta an den Verkäufer ab, ist dieser Anspruch isoliert nicht pfändbar. Jedenfalls in der Person des Verkäufers unterliegt der Auszahlungsanspruch einer Zweckbindung mit treuhänderischem Charakter. Eine treuhänderische Forderung ist aber unpfändbar.
Rz. 475
Für die Praxis spielt allerdings die Pfändung der Kreditzusage, des Anspruchs auf Auszahlung des Darlehens keine große Rolle, vor allem, weil er von zahlreichen Unwägbarkeiten abhängt:
▪ |
Ist das Darlehen zweckgebunden, ist der Anspruch grundsätzlich unpfändbar (§ 399 BGB, § 851 ZPO), kann aber von Gläubigern gepfändet werden, wenn die Zweckbindung nicht beeinträchtigt wird (Bauunternehmer pfändet Baudarlehen). |
▪ |
In zahlreichen Fällen ist an die Darlehenshingabe eine Bedingung geknüpft, die der Gläubiger, wenn er den Anspruch gepfändet hat, meist nicht herbeiführen kann. |
▪ |
Der Darlehensgeber kann das Darlehen nach § 490 Abs. 1 BGB vor Auszahlung stets kündigen, wenn in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers oder in der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch die die Rückerstattung des Darlehens, auch unter Verwertung der Sicherheit, gefährdet wird. |
Rz. 476
Zumindest durch dieses Kündigungsrecht wird die Pfändung des Anspruchs auf Auszahlung des Darlehens in der Regel Illusion bleiben, weil die Pfändung auf die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners schließen lässt und die Kündigung die unausweichliche Folge sein wird.
Rz. 477
Sinnvolles Pfändungsobjekt kann deshalb nur der Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers sein. Ist für die Rückerstattung des Darlehens eine Zeit nicht bestimmt, so hängt die Fälligkeit davon ab, dass der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer kündigt. Die Kündigungsfrist beträgt nach § 489 Abs. 2 BGB drei Monate. Sind Zinsen nicht geschuldet, so ist der Darlehensnehmer auch ohne Kündigung zur Rückerstattung berechtigt.
Rz. 478
Die Auszahlung des Darlehens wird in zahlreichen Fällen durch eine Urkunde belegt (sog. Schuldschein). Diese Urkunde, in der der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber bestätigt, das Darlehen erhalten zu haben, ist kein Wertpapier, sondern lediglich Beweisurkunde. Der Darlehensnehmer kann jedoch bei Rückerstattung des Darlehens die Herausgabe dieses Schuldscheins von dem Darlehensgeber verlangen (§ 371 BGB) und braucht nur Zug um Zug gegen Rückgabe zu leisten.
Hinweis
Deshalb ist stets die Anordnung der Herausgabe des Schuldscheins nach § 836 Abs. 3 S. 3 ZPO zu beantragen.
Liegt kein Schuldschein vor und erteilt der Schuldner keine Auskunft über die erfolgte Zahlung des Darlehens, so ist er nach § 836 Abs. 3 S. 2 ZPO auf Antrag des Gläubigers verpflichtet, die Auskunft zu Protokoll zu geben und die Angabe an Eides statt zu...