Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 801
Eine häufig unbekannte, wirtschaftlich aber besonders günstige Alternative der Verwertung zwischen den beiden vorgenannten Vorgehensweisen stellt der Verkauf der Lebensversicherung an einen Dritten als besondere Verwertungsart nach § 844 ZPO dar. Hier lassen sich 5 % bis 15 % über dem Rückkaufswert liegende Erlöse erzielen.
Rz. 802
Der bekannteste Kaufinteressent ist am Markt die Firma Cash.life AG aus München. Allerdings sind auch andere Anbieter zu finden.
Rz. 803
Die Firmen machen sich unter anderem die steuerliche Regelung zunutze, dass Kapitallebensversicherungen, die vor Ablauf von zwölf Jahren aufgelöst werden, neben erheblichen Stornogebühren auch einem Kapitalertragsteuerabzug von 25 % zuzüglich 5 % Solidaritätszuschlag auf die rechnungsmäßigen Zinsen und die Überschussanteile unterliegen. Dazu erwerben die Firmen die gepfändeten Kapitallebensversicherungen – von allen deutschen Versicherungen – und führen sie bis zu ihrer Fälligkeit, jedenfalls aber über die ersten zwölf Jahre seit Vertragsschluss hinweg, weiter. Anschließend erhalten sie die gesamten Versicherungsleistungen neben den Überschussanteilen. Sie verfahren also genau so, wie der Gläubiger in der unter IV. 2. dargestellten Alternative auch verfahren könnte, wenn er nicht schnell und zwingend auf den Kapitalzufluss angewiesen wäre.
Rz. 804
Hinweis
Voraussetzung ist allerdings regelmäßig, dass die gepfändete Lebensversicherung schon mindestens drei Jahre besteht und einen Rückkaufwert von mehr als 5.000,00 EUR, teilweise 10.000,00 EUR hat sowie die Restlaufzeit nicht mehr als 15 Jahre beträgt. Durch Herbeiführung der Fälligkeit fallen die Stornogebühren und Steuernachteile weg. Dadurch können die Firmen als Käufer der Police einen Kaufpreis zwischen 5 und 15 % über dem Rückkaufwert anbieten. Dies wird jeweils individuell ausgehandelt. Sie können mittels einer Kundenanfrage ermitteln, welchen Wert Sie erzielen können. Dies dient als Nachweis für die gerichtliche Entscheidung über eine Verwertung nach § 844 ZPO.
Rz. 805
Tipp 1
Auch wenn die Forderung aus der Lebensversicherung letztlich nach § 844 ZPO verwertet werden soll, sollte der Antrag zunächst darauf lauten, dass sie nach § 835 ZPO zur Einziehung überwiesen wird. Dies hat den Vorteil, dass der Schuldner nach § 836 Abs. 3 ZPO verpflichtet ist, alle dazu erforderlichen Auskünfte über das Versicherungsverhältnis zu erteilen und die vorhandenen Urkunden herauszugeben. Beantragen Sie also zunächst einen ganz normalen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nach §§ 829, 835 ZPO. Der ändernde Verwertungsantrag nach § 844 kann dann nachträglich gestellt werden.
Rz. 806
Tipp 2
Der Gläubiger sollte sich in jedem Fall – auch wenn die gepfändete Kapitallebensversicherung noch keine drei Jahre alt ist oder der Rückkaufwert noch nicht 5.000,00 EUR beträgt – ein Kauf-Angebot eines oder mehrerer Versicherungsankäufer unterbreiten lassen. Eventuell lohnt es sich auch, dass der Gläubiger die Versicherungsprämien noch eine gewisse Zeit selbst zahlt, um so die Voraussetzungen für einen Kauf durch einen Versicherungsaufkäufer zu erfüllen. Der Versicherer kann diese Prämien nicht zurückweisen (§ 34 VVG = § 35a Abs. 1 VVG a.F.). Die gezahlten Prämien sind Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 ZPO, die entweder separat festgesetzt oder zugleich mit dem vollstreckbaren Anspruch beigetrieben werden können.
Rz. 807
Ist ein Dritter zum Erwerb der Kapitallebensversicherung bereit und das Angebot günstiger als der Rückkaufswert, kann beim Vollstreckungsgericht die Anordnung einer anderen Art der Verwertung in Form des Verkaufs der Lebensversicherung nach § 844 ZPO beantragt werden. Die vorherige Überweisung zur Einziehung steht dem nicht entgegen. Der Gläubiger wird gegenüber dem Vollstreckungsgericht darauf hinzuweisen haben, dass diese Verwertung sowohl den Gläubiger als auch – durch eine höhere Befriedigungsquote auf die Vollstreckungsforderung – den Schuldner begünstigt.
Rz. 808
Hinweis
Soweit ursprünglich eine widerruflich bezugsberechtigte Person vorhanden war oder die Lebensversicherung der Altersvorsorge Dritter dienen sollte, können diese ebenfalls aufgefordert werden, gegen Zahlung eines entsprechenden Betrages über dem Rückkaufswert nach § 844 ZPO den Versicherungsvertrag zu übernehmen, soweit diesen nicht ohnehin ein Eintrittsrecht nach § 170 VVG (§ 177 Abs. 1 und 2 VVG a.F.) zusteht.