Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 933
Die Überweisung des Pflichtteilsanspruches darf erst erfolgen, wenn der Pflichtteilsanspruch im vorbeschriebenen Sinne von den Erben vertraglich anerkannt wurde oder der Schuldner ihn rechtshängig gemacht hat.
Der Pflichtteilsanspruch des Schuldners gehört im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens grds. zur Insolvenzmasse, wenn er zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens bereits entstanden ist oder während des Hauptverfahrens entsteht, §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 InsO. In seiner zwangsweisen Verwertung ist er allerdings aufschiebend bedingt durch seine vertragliche Anerkennung oder Rechtshängigkeit. Die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen im Insolvenzverfahren setzt voraus, dass der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch ausdrücklich gegen den Erben geltend gemacht hat, § 852 ZPO.
Rz. 934
In entsprechender Anwendung von § 836 Abs. 3 ZPO kann der Gläubiger vom Schuldner nach der Pfändung – auch mehrfach – Auskunft darüber verlangen, ob die Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO vorliegen und die Überweisung zur Einziehung beim Vollstreckungsgericht beantragt werden kann. Der Gläubiger muss in die Lage versetzt werden, sich diese für die Durchsetzung des Anspruchs notwendige Kenntnis zu verschaffen. Dass sich die Pfändung des Pflichtteilsanspruchs auch auf den Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB als Nebenrecht erstreckt, reicht hierfür nach Auffassung des BGH nicht aus. Denn der Anspruch aus § 2314 BGB bezieht sich lediglich auf den Bestand des Nachlasses. Die Auskunftspflicht nach § 836 Abs. 3 ZPO gilt dagegen für alle erheblichen Tatsachen und wesentlichen Umstände zur gerichtlichen und außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung und zu ihrer Durchsetzung. Sie betrifft insbesondere auch die Pflicht, darüber Auskunft zu geben, ob der Anspruch vertraglich anerkannt worden oder rechtshängig geworden ist. Außerdem hat der Schuldner die über die Forderung bestehenden Urkunden herauszugeben.
Rz. 935
Grundsätzlich muss der Gläubiger also mit der Beantragung des Überweisungsbeschlusses darlegen, dass die Voraussetzungen des § 852 ZPO vorliegen. Schuldner und Drittschuldner werden auch zu diesem Antrag nach § 834 ZPO nicht angehört. Hiervon geht ersichtlich auch der BGH aus, auch wenn § 834 ZPO nur davon spricht, dass keine Anhörung bei der Pfändung stattfindet, da er dies als Rechtsmittel des Schuldners § 766 ZPO (Rechtsbehelf gegen Maßnahmen der Zwangsvollstreckung ohne Anhörung) und nicht § 793 ZPO sieht. Dies bedeutet, dass der Vortrag des Gläubigers unstreitig bleibt und gegenüber dem Rechtspfleger weder glaubhaft zu machen ist noch nachgewiesen werden muss.
Rz. 936
Tipp
Verfügt der Gläubiger dagegen über Mittel zur Glaubhaftmachung oder zum Nachweis, so ist er nicht gehindert, sich hierauf zu beziehen, um einer Auseinandersetzung um diese Frage präventiv zu begegnen.
Rz. 937
Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Voraussetzungen des § 852 ZPO bereits im Pfändungsverfahren geprüft werden und nicht erst im Einziehungsprozess. Dies ist auf deutliche und in der Sache durchaus nachvollziehbare Kritik gestoßen. Zutreffenderweise wird darauf hingewiesen, dass dem Gläubiger lediglich die "angebliche" Forderung überwiesen wird, was eine Überprüfung in diesem Stadium entbehrlich macht. Es überfrachtet das Zwangsvollstreckungsverfahren auch mit den Erfordernissen eines echten Erkenntnisverfahrens, was im Hinblick auf die Schnelligkeit des Vollstreckungsverfahrens ebenso misslich ist, wie der Umstand, dass im Erinnerungsverfahren stets der Einzelrichter entscheidet, es im Erkenntnisverfahren aber auch die Möglichkeit gibt, die gesamte Erfahrung einer Kammer zu nutzen.
Rz. 938
Hinweis
Die Sichtweise des BGH kann auch bedeuten, dass der Drittschuldner im Einziehungsprozess nicht mehr geltend machen kann, dass die Voraussetzungen des § 852 ZPO nicht vorgelegen haben und weiterhin nicht vorliegen. Der Überweisungsbeschluss ist bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 852 ZPO lediglich anfechtbar, nicht aber nichtig.