Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 210
Stellt sich heraus, dass der Schuldner arbeitslos ist und ihm Arbeitsförderung (§ 3 Abs. 1 SGB III) in der Form von Arbeitslosengeld (§ 136 Abs. 1 SGB III) zusteht, ist stets die Pfändung dieser Leistung zu erwägen. Das Arbeitslosengeld ist als laufend gezahltes Sozialeinkommen wie Arbeitseinkommen (vgl. § 8 – Arbeitseinkommen) pfändbar (§ 54 Abs. 4 SGB I). Leistungsarten sind Arbeitslosengeld (§§ 136 ff. SGB III), auf das Einkünfte aus Tätigkeiten mit nicht mehr als 15 Stunden wöchentlich im Sinne von § 138 Abs. 3 SGB III teilweise angerechnet werden (§ 155 SGB III), Teilarbeitslosengeld (§ 162 SGB III) bei Arbeitnehmern, die eine Beschäftigung verloren haben, die sie neben einer weiteren ausgeübt haben, Kurzarbeiter- (§§ 95 ff. SGB III), Zuschusswinter- und Mehraufwandswintergeld (§ 102 Abs. 1 SGB III).
Tipp
Soweit Leistungen zweckgebunden gezahlt werden und der zu pfändende Anspruch von diesem Zweck erfasst wird, kann eine Zusammenrechnung der Ansprüche nach § 850e ZPO erfolgen. Dies kommt z.B. dann in Frage, wenn der Vermieter einer Wohnung wegen Mietzahlungen pfändet und die Pfändung auf das Wohngeld erstreckt (§ 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I). Da hier zwei verschiedene Leistungen betroffen sind (Arbeitslosengeld und Wohngeld), ist zu beachten, dass verschiedene Drittschuldner zu berücksichtigen sind.
Arbeitslosengeld II ist nach der mit Gesetz vom 26.7.2016 neu eingeführten Regelung des § 42 Abs. 4 SGB II, welcher zum 1.8.2016 in Kraft trat, grundsätzlich unpfändbar. Danach kann der Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung nicht abgetreten, übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, dass die zur Sicherung des Existenzminimums gezahlten Leistungen auch bei den Bedürftigen verbleiben, hatte hier aber auch verwaltungsökonomische Gründe im Blick: Für die Träger der Grundsicherung sollte der Aufwand zur Ermittlung der pfändbaren Beträge entfallen, zumal sich in aller Regel keine pfändbaren Beträge errechnen. Eine Pfändung ist nur aufgrund § 53 Abs. 3 SGB I möglich, wenn die Leistungen die Pfändungsfreibeträge nach § 850c ZPO übersteigen, womit grundsätzlich nicht zu rechnen ist.
Leistungsträger und Drittschuldner können sein die Agenturen für Arbeit, sonstige Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit sowie kreisfreie Städte und Kreise oder durch Landesrecht bestimmte andere Träger (§ 19a SGB I, § 6 SGB II). Eine ausdrückliche Pfändung der zukünftigen Leistungen ist wegen § 832 ZPO nicht erforderlich. Als Drittschuldner gilt der Direktor derjenigen Agentur für Arbeit, welche den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. -hilfe bewilligt. Für die Pfändung von Kurzarbeitergeld gilt der Arbeitgeber als Drittschuldner, § 108 Abs. 2 S. 1 SGB III.
Rz. 211
Es sollte jedoch vor Antragstellung geprüft werden:
▪ |
wer Drittschuldner ist, |
▪ |
die Höhe des monatlichen Arbeitslosengeldes bzw. des Arbeitslosengeldes II, |
▪ |
die Möglichkeit der Zusammenrechnung (§ 850e Nr. 2a ZPO) anderen Einkommens oder anderer Sozialleistungen. |
Rz. 212
Da die Pfändung bereits nach § 850c ZPO beschränkt ist, sollte durch einen Blick in die Tabelle geprüft werden, ob ein pfändbarer Betrag besteht. Nach der letzten Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen zum 1.7.2021 dürfte im Allgemeinen nur noch die Zusammenrechnung zu pfändbaren Beträgen führen. Eine Ausnahme könnte dann gegeben sein, wenn die Leistungen für Unterkunft und Heizung, die nach § 22 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, zu einem pfändbaren Betrag führen. Das dürfte etwa in Ballungsräumen bei hohem Mietniveau der Fall sein. Leistungen für Unterkunft und Heizung sind pfändbar und unterliegen auch keinen Pfändungsbeschränkungen.
Rz. 213
Die Leistungen von Arbeitslosengeld II sind nach § 42 Abs. 2 SGB II unpfändbar, was auch bei der Berechnung des pfändungsfreien Betrages zu berücksichtigen ist. Soweit Leistungen für die zurückliegende Zeiträume gezahlt werden, sind diese den zurückliegenden Zeiträumen zuzurechnen. Dies ist bei der Bemessung des pfändungsfreien Betrages zu berücksichtigen. Die aus § 42 Abs. 2 SGB II sich ergebende Unpfändbarkeit steht nach dem BGH bei der Bestimmung der Pfändungsfreigrenze bei der Pfändung von Unterhaltsansprüchen einer Anrechnung von Leistungen zu Arbeitslosengeld II nicht entgegen. § 850e Nr. 2a ZPO, wonach bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens nur pfändbare Geldleistungen nach SGB mit Arbeitseinkommen zusammenrechenbar sind, ist hier nicht anwendbar. Durch die Anrechnung und Minderung des Pfändungsfreibetrages wird der Zweck des Arbeitslosengeldes (Sicherung des Existenzminimums) nicht beeinträchtigt. Der Unterhaltsberechtigte soll nicht auf die staatliche Fürsorge verwiesen werden, sondern auf die das Existenzminimum des Schuldners übersteigenden Beträge zugreifen können. Dies entspricht dem Sinn und Zweck des § 850d ZPO.
Lebt der Schuldner mit einer weiteren nicht unterhaltsberechtigten Person in einer Bedarfsgemeinschaft, so führt dies nicht dazu,...