Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 390
Im Rahmen der Pfändung von Ansprüchen aus der Geschäftsbeziehung zwischen dem Schuldner und dem Kreditinstitut betrachtete die Rechtsprechung in der Vergangenheit vielfach besondere Fallgestaltungen unter dem Blickwinkel des § 765a ZPO. Dabei war die Annahme, dass in einer bestimmten Maßnahme eine "besondere Härte der Zwangsvollstreckung liegt, die gegen die guten Sitten verstößt" nicht selten gezwungen. Um diesem Umstand abzuhelfen und einen einheitlichen Schutzstandard zu schaffen, hat der Gesetzgeber dem Schuldner nun ein besonderes Instrumentarium in § 907 ZPO in der ab dem 1.12.2021 (BGBl I 2020, 2466) geltenden Fassung an die Hand gegeben. Unter den dort genannten Voraussetzungen ist eine befristete Freistellung des Kontos von der Pfändung möglich. Bis zum 31.12.2011 hat sich diese Regelung in § 833a Abs. 2 ZPO befunden, ergänzt um die Möglichkeit, die Pfändung sogar vollständig aufzuheben. Der Sinn der Regelung liegt darin, eine Kündigung des Bankvertrages wegen der Pfändung für den Schuldner zu vermeiden.
Rz. 391
Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht danach anordnen, dass das Guthaben des Kontos für die Dauer von bis zu zwölf Monaten der Pfändung nicht unterworfen ist, wenn der Schuldner nachweist, dass dem Konto in den letzten sechs Monaten vor Antragstellung ganz überwiegend nur unpfändbare Beträge gutgeschrieben worden sind, und er glaubhaft macht, dass auch innerhalb der nächsten zwölf Monate nur ganz überwiegend nicht pfändbare Beträge zu erwarten sind. Die Anordnung kann versagt werden, wenn überwiegende Belange des Gläubigers entgegenstehen. Es müssen also insgesamt drei Voraussetzungen erfüllt sein. Die Anordnung ist auf Antrag eines Gläubigers aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder die Anordnung den überwiegenden Belangen dieses Gläubigers entgegensteht.
Rz. 392
§ 907 ZPO erlaubt damit die zeitliche Beschränkung für einen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten. Die Entscheidung soll den Verwaltungsaufwand der Kreditinstitute vermindern helfen. In der Sache muss dies aber auch den Umständen des Einzelfalles gerecht werden.
Rz. 393
Der Schuldner muss für die Vergangenheit nachweisen und für die Zukunft glaubhaft machen, dass auf dem Konto im Wesentlichen nur unpfändbare Beträge eingehen, während der Gläubiger dem entgegenstehende Belange aus seiner Sphäre geltend machen kann. Die Regelung in § 907 ZPO ist in ihrem Anwendungsbereich als lex specialis zu § 765a ZPO zu sehen, teilweise wird sie von diesem ergänzt. Von einem Teil der Rechtsprechung wurde die Aufhebung der Pfändung oder deren Einstellung schon nach dem bisherigen Recht über § 765a ZPO bewerkstelligt, während ein anderer Teil der Rechtsprechung diesen Weg in der Vergangenheit abgelehnt und den Schuldner darauf verwiesen hat, gegen die unberechtigte Kündigung vorzugehen.
Rz. 394
Die Vorschrift findet sowohl von ihrem Wortlaut als auch von der systematischen Stellung nicht allein bei einem Pfändungsschutzkontos Anwendung, sondern gilt für alle Arten von Konten.