Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 742
Ansprüche aus einer auf den Erlebens- oder Todesfall abgeschlossenen Kapitallebensversicherung ohne einen Dritten als Bezugsberechtigten oder bei einer lediglich widerruflichen Einräumung eines Bezugsrechtes für einen Dritten sind grundsätzlich nach § 829 ZPO pfändbar und nach § 835 ZPO zu überweisen. Pfändbar sind
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die Ansprüche auf Zahlung der Versicherungssumme, |
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die Ansprüche auf Zahlung des bei Aufhebung des Vertrags auf die Versicherung entfallenden Betrags der Prämienreserve (Rückkaufwert), |
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die Ansprüche auf Zahlung einer Dividende, eines Gewinnanteils, einer Überschussbeteiligung oder sonstiger zusätzlicher Nebenleistungen, |
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das Recht auf Kündigung und/oder Umwandlung der Versicherung, |
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das Recht zum Widerruf bzw. der Änderung der Bezugsberechtigung, |
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das Recht zur Bestimmung des/der Bezugsberechtigten, |
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das Recht auf Aushändigung des Versicherungsscheins. |
Rz. 743
Hinweis
Das Recht auf Aushändigung des Versicherungsscheins sowie die Gestaltungsrechte können nicht selbstständig, sondern nur mit dem Versicherungsanspruch bzw. dem Forderungsrecht, dessen Geltendmachung sie dienen, gepfändet werden. Der Anspruch richtet sich gemäß § 836 Abs. 3 ZPO gegen den Schuldner und kann nachfolgend über § 883 ZPO auch zwangsweise durchgesetzt werden.
Rz. 744
Dies gilt auch dann, wenn die Versicherung mit einem Rentenwahlrecht ausgestattet ist und damit der Altersvorsorge dienen könnte. § 850 Abs. 3 ZPO stellt solche Bezüge dem Arbeitseinkommen gleich, so dass die Pfändung nach § 829 BGB erfolgt und mit der Zustellung an die Versicherungsgesellschaft als Drittschuldnerin wirksam wird (§ 829 Abs. 3 ZPO). § 850 Abs. 3 ZPO entzieht Versicherungsverträge der dort genannten Art also nicht gänzlich der Pfändung, sondern privilegiert den monatlichen Auszahlungsbetrag lediglich im Umfang des § 850c ZPO.
Rz. 745
Pfändbar ist eine Lebensversicherung auch dann, wenn sie mit einer unpfändbaren Berufsunfähigkeitsversicherung verbunden wurde. Der BGH hat entschieden, dass eine Kapitallebensversicherung, die zusammen mit einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abgeschlossen wurde, in der Einheitlichkeit des Vertrages in der Regel weder der Abtretung von Ansprüchen allein aus der Lebensversicherung noch einer Übertragung des Kündigungsrechts für die Lebensversicherung entgegensteht. Aus § 851 Abs. 1 ZPO ergibt sich, dass für die Pfändung dann nichts anderes gelten kann.
Auch der Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Firmendirektversicherung ist bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls als zukünftige Forderung pfändbar.
Rz. 746
Nicht bzw. nur eingeschränkt pfändbar sind dagegen Lebensversicherungen nach § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO, die nur auf den Todesfall abgeschlossen sind und deren Versicherungssumme den Betrag von 5.400,00 EUR nicht übersteigt. Hiermit möchte der Gesetzgeber die damit meist verbundene Deckung der Bestattungskosten unangetastet lassen. Dies bedeutet aber, dass die Versicherung dann pfändbar ist, wenn sie auch auf den Erlebensfall abgeschlossen wurde (sog. gemischte Lebensversicherung). Grundsätzlich ist auch die den Betrag von 5.400,00 EUR übersteigende Versicherungsleistung pfändbar.
Rz. 747
Hinweis
Ansprüche aus einer nur auf den Todesfall abgeschlossenen Lebensversicherung sind, auch wenn die Versicherungssumme 5.400,00 EUR übersteigt, nach § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO aber insoweit unpfändbar, als sie sich auf der Grundlage einer diesen Betrag nicht übersteigenden Versicherungssumme ergeben.
Rz. 748
Der Schuldner kann den Pfändungsschutz nach § 765a ZPO grundsätzlich auch bei der Pfändung einer Kapitallebensversicherung in Anspruch nehmen, da es sich um eine übergreifende Schutzvorschrift handelt. Allerdings sind kaum Fälle denkbar, in denen die Pfändung einer Kapitallebensversicherung eine sittenwidrige Härte darstellt. Die Notwendigkeit bei Pfändung der Lebensversicherung Sozialleistungen in Anspruch nehmen zu müssen, wird jedenfalls nicht ausreichen. Auch wird im Rahmen der Prüfung von § 765a ZPO immer die bisher noch gültige gesetzgeberische Wertentscheidung zu berücksichtigen sein, Kapitallebensversicherungen grundsätzlich nur dem Schutz der §§ 851c und 851d ZPO und ansonsten keinem besonderen Pfändungsschutz zu unterstellen.
Rz. 749
Die Pfändung von Kapitallebensversicherungen mit einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung für Dritte, d.h. Verträge zugunsten Dritter, gehen seit der Entscheidung des BGH vom 18.6.2003 ins Leere. Nach Auffassung des BGH erwirbt der Bezugsberechtigte mit der Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts auf den Erlebensfall die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag grundsätzlich sofort, weil nur so der mit dem Verzicht auf den Widerruf verfolgte Zweck erreicht werden kann, die Ansprüche auf die Versicherungsleistungen aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers auszusondern und sie damit dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen. Da unter diesem Gesichtspunkt eine bloße unwid...