Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 571
Jeder einzelne Gesellschafter hält mindestens einen Geschäftsanteil an der Gesellschaft, der sich nach dem Betrag der von ihm geleisteten oder zu leistenden Stammeinlage richtet. Sie muss im Gesellschaftsvertrag bestimmt sein (§ 3 Abs. 1 GmbHG).
Rz. 572
Der Geschäftsanteil des Gesellschafters einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (§ 14 GmbHG) ist veräußerlich (§ 15 Abs. 1 GmbHG) und daher pfändbar (§§ 857 Abs. 1, 829 ZPO), und zwar auch dann, wenn die Veräußerung nur mit Genehmigung der Gesellschaft erfolgen kann (§ 851 Abs. 2 ZPO). Drittschuldnerin, der der Pfändungsbeschluss zuzustellen ist (§ 829 Abs. 3 ZPO), ist die Gesellschaft, weil an ihrem Vermögen das Anteilsrecht besteht und ihre Rechtsstellung deshalb von der Pfändung betroffen wird. Besitzt der Schuldner mehrere Geschäftsanteile, kann jeder selbstständig gepfändet werden. Sollen alle Anteile eines Schuldners gepfändet werden, muss dies im Pfändungsbeschluss zum Ausdruck kommen.
Rz. 573
Die Pfändung selbst greift nicht in die Rechtsstellung des Schuldners als Gesellschafter ein. Dieser darf deshalb auch nach erfolgter Pfändung sein Stimmrecht ausüben. Er darf allerdings nicht über seinen Gesellschaftsanteil verfügen. Die Pfändung gibt dem Gläubiger weder die Stellung des Schuldners als Gesellschafter noch dessen Rechte. Der Gläubiger erlangt durch die Pfändung insbesondere keine Auskunfts- und Einsichtnahmerechte gemäß § 51a GmbHG, diese sind nicht mit gepfändet.
Hinweis
Nicht automatisch von der Pfändung des Geschäftsanteils ist der Anspruch des Schuldners auf Auszahlung des Gewinns erfasst. Deshalb ist dieser Anspruch – als Geldforderung – getrennt und stets nach Maßgabe der §§ 829 ff. ZPO zu pfänden.
Rz. 574
Die Pfändung des Geschäftsanteils sichert dem Pfändungsgläubiger Befriedigung aus allem, was dem Schuldner als Surrogat des Geschäftsanteils zusteht, wie z.B.:
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das Einziehungsentgelt (§ 34 GmbHG) |
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den Überschuss nach § 27 Abs. 2 GmbHG |
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den Anspruch auf Rückzahlung der Stammeinlage im Falle der Kapitalherabsetzung nach § 58 GmbHG |
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die Ansprüche auf Auseinandersetzungsguthaben und Abfindung |
Rz. 575
Diese Ansprüche können auch selbstständig gepfändet werden. Drittschuldnerin ist die Gesellschaft.
Beachte
Die Bezüge des Schuldners, die dieser als Gesellschafter-Geschäftsführer von der Gesellschaft erhält, sind Arbeitseinkommen und unterliegen dem Schutz der §§ 850 ff. ZPO.
Die Pfändung des Geschäftsanteils umfasst, auch wenn der Gewinnanteil erfasst wird, nicht die Bezüge des Schuldners als Geschäftsführer. Sie müssen deshalb, falls darauf zugegriffen werden soll, stets getrennt gepfändet werden.
Rz. 576
Die Verwertung des gepfändeten Geschäftsanteils findet in der Regel durch Veräußerung statt (§§ 857 Abs. 5, 844 ZPO). Der Geschäftsanteil einer GmbH kann grundsätzlich nicht zugleich mit der Pfändung überwiesen werden; über die Verwertung desselben ist vielmehr gesondert zu entscheiden. Ordnet das Vollstreckungsgericht die Versteigerung eines gepfändeten GmbH-Geschäftsanteils an, so hat es zunächst den Wert des Geschäftsanteils festzusetzen und diesen dem Gerichtsvollzieher bekannt zu geben. Ein gepfändeter Geschäftsanteil an einer GmbH kann im Wege der Versteigerung verwertet werden, auch wenn er inzwischen aufgrund einer nach der Pfändung beschlossenen Satzungsänderung durch Beschluss der Gesellschafterversammlung eingezogen worden ist. Die spätere Abtretung eines Geschäftsanteils einer GmbH ändert nach zuvor erfolgter Pfändung nichts an der Versteigerung.
Der Geschäftsanteil ist teilbar (§ 46 Nr. 4 GmbHG). Daher kann auch ein Bruchteil des Geschäftsanteils gepfändet werden. Allerdings muss danach das Teilungsrecht durch den Erwerber und Schuldner gemeinsam ausgeübt werden, so dass ein solcher gepfändeter Bruchteilsanteil schlecht veräußerlich sein würde.
Rz. 577
Die Überweisung zur Einziehung ist nur dann möglich, wenn im Gesellschaftsvertrag die Kündigung als Auflösungsgrund vereinbart ist (§ 60 Abs. 2 GmbHG). Der Gläubiger kann in diesen Fällen die Überweisung zur Einziehung beantragen. Ergeht ein entsprechender Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, dann erstreckt sich die Pfändung auch auf das Recht zur Kündigung als Nebenrecht. Der Gläubiger kann dann kündigen. In den anderen Fällen kann der Gläubiger in Ermangelung eines Kündigungsrechts den Anteil nicht verwerten.
Rz. 578
Eine Überweisung an Zahlungs statt scheidet aus, da der Gesellschaftsanteil keinen Nennwert hat (§ 835 Abs. 1 ZPO). Die Versteigerung erfolgt nach den Regeln der §§ 814 ff. ZPO durch den Gerichtsvollzieher. Statt der Versteigerung kann auch der freihändige Verkauf angeordnet werden. Hierbei ist die Form des § 15 Abs. 3 GmbHG (notarielle Beurkundung des Vertrags) zu beachten. Die Gesellschaft, die den Geschäftsanteil nicht einziehen will oder kann, kann dem Eindringen Fremder mit Verwertung des Geschäftsanteils durch Befriedigung des Gläubigers begegnen (§ 267 BGB).