Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 766
Der Bundestag hat am 14.12.2006 den Entwurf eines "Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge und zur Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung" mit einer Erweiterung des Pfändungsschutzes auf die Hinterbliebenen und einer Erhöhung des geschützten Betrages gegenüber dem ursprünglichen Entwurf der Bundesregierung beschlossen und damit erstmals einen Pfändungsschutz für die Altersvorsorge Selbstständiger eingeführt. Das "Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge" ist am 30.3.2007 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Nach Art. 6 des Gesetzes ist es am Tage nach der Verkündung, d.h. am 1.4.2007 in Kraft getreten.
Rz. 767
Der Gesetzgeber hat den Zustand als unbefriedigend empfunden, dass Selbstständige – anders als der unselbstständig tätige Arbeitnehmer nach § 850c ZPO – hinsichtlich seiner laufenden Einnahmen zum Aufbau einer Altersvorsorge keinem Pfändungsschutz unterliegt. In der Konsequenz hat dies dazu geführt, dass der Staat über die verschiedenen Formen der Sozialleistungen das Existenzminimum des Selbstständigen im Alter sicherstellen musste. Dies sollte geändert werden.
Rz. 768
Nach §§ 851c und 851d werden eigene Rentenansprüche des Selbstständigen aus privaten Versicherungen den Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO unterworfen und in diesem Umfang der Pfändung entzogen, soweit
▪ |
diese in Rentenform nicht vor dem 60. Lebensjahr ausgezahlt werden, d.h. eine lebenslange in regelmäßigen Zeitabschnitten gezahlte Rente vereinbart wurde, es sei denn, es liegt ein Fall der Berufsunfähigkeit vor; HinweisIn § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO muss das Tatbestandsmerkmal der lebenslangen Leistung sowohl bei der Alternative des Leistungsbeginns nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres als auch der Alternative des Leistungsbeginns mit Eintritt der Berufsunfähigkeit vorliegen. |
▪ |
der Selbstständige über die Ansprüche aus dem Vertrag nicht verfügen darf; HinweisAuf diese Bedingung wird der Gläubiger sein besonderes Augenmerk zu richten haben. Bisher haben die Elemente der Alterssicherung Selbstständiger wie etwa Immobilien, Lebensversicherungen und Wertpapierdepots zu Erwerbszeiten auch als Sicherungsmittel für die Kreditaufnahme gedient. Dies ist für die Lebensversicherung, die der Alterssicherung dient, nun nicht mehr möglich. Dies wird viele Selbstständige dazu verleiten, auf dieses Element in der Hoffnung "zu verzichten", dass dies dem Gläubiger nicht auffällt oder er solche Lebensversicherungen erst gar nicht mehr pfändet. |
▪ |
die Bezugsberechtigung eines Dritten mit Ausnahme von Hinterbliebenen ausgeschlossen ist; HinweisIn Anlehnung an den im Versorgungsrecht herrschenden Hinterbliebenenbegriff werden als Hinterbliebene nach Auffassung des Gesetzgebers zumindest der Ehegatte, die Kinder und Pflegekinder des Schuldners anzusehen sein. |
▪ |
die Zahlung einer Kapitalleistung mit Ausnahme auf den Todesfall ausgeschlossen ist. |
Rz. 769
Pfändungsschutz nach § 851c Abs. 1 ZPO besteht grundsätzlich nur dann, wenn die dort unter den Nr. 1–4 genannten Voraussetzungen kumulativ im Zeitpunkt der Pfändung vorliegen. Enthält der Vertrag, aus dem sich die gepfändeten Ansprüche ergeben, allerdings Bestimmungen, die einen späteren Eintritt der Voraussetzungen des § 851c Abs. 1 Nr. 3 ZPO endgültig sicherstellen, greift der Pfändungsschutz ab diesem späteren Zeitpunkt ein.
Rz. 770
Mit der Einführung des neuen Pfändungsschutzes für Selbstständige war und ist nicht davon auszugehen, dass die Selbstständige jeweils neue Versicherungsverträge abgeschlossen haben. Vielmehr sind auch bereits bestehende Verträge umgewandelt worden. Insoweit sieht ein § 167 VV vor, dass der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine Versicherung verlangen kann, die den Anforderungen des § 851c Abs. 1 ZPO entspricht. Die Kosten der Umwandlung hat der Versicherungsnehmer zu tragen. Allein das Umwandlungsverlangen zum Zeitpunkt der Pfändung genügt aber zur Gewährung des Pfändungsschutzes nicht. Vielmehr muss die Umwandlung abgeschlossen sein. Auch darf nicht übersehen werden, dass die Umwandlung nach §§ 3, 4 AnfG anfechtbar sein kann.
Rz. 771
Hinweis
Der Gläubiger muss dann insbesondere prüfen, ob die Voraussetzungen des § 851c Abs. 1 Nr. 1–4 ZPO eingehalten sind, d.h. er darf nicht jede Lebensversicherung akzeptieren. Zu diesem Zwecke kann er von dem Schuldner nach § 836 Abs. 3 ZPO die Herausgabe des Versicherungsvertrages mit den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen verlangen.
Rz. 772
Als Folge dieses neuen Pfändungsschutzes wurde zunächst auch § 850l ZPO angepasst. Soweit die laufende Rentenzahlung aus der Lebensversicherung des Selbstständigen auf dem Konto des Schuldners eingeht, konnten sie dort geschützt werden. Wie bei Arbeitseinkommen galt dies aber nur, wenn der Schuldner einen entsprechenden Antrag stellte. Diese Möglichkeit endete mit Ablauf des 31.12.2011. Seitdem ist ein Pfändungsschutz auf dem Ko...