Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 789
Für die Verwertung der Kapitallebensversicherung kommen unterschiedliche Wege in Betracht, die der Gläubiger jeweils nach seinen individuellen Vorstellungen und den konkreten Vertragsdaten der Versicherung, insbesondere der Versicherungssumme, des bereits eingezahlten Kapitals und der bisherigen Vertragsdauer in Betracht ziehen muss. Der Bevollmächtigte muss dem Gläubiger wiederum die unterschiedlichen Möglichkeiten darstellen und deren Vor- und Nachteile erläutern.
1. Realisierung des Rückkaufwerts infolge Kündigung
Rz. 790
Die einfachste Verwertungsart stellt es dar, wenn die Kapitallebensversicherung nach § 169 VVG (§ 176 VVG a.F.) gekündigt und der Rückkaufwert so realisiert wird. Über die jeweilige Höhe des Rückkaufswertes erteilt die Drittschuldnerin auf der Grundlage von § 840 ZPO und aufgrund der grundsätzlich mitgepfändeten Nebenrechte Auskunft.
Rz. 791
Hierbei handelt es sich zwar um die einfachste und sicherste Verwertungsart, allerdings auch um den für den Schuldner "teuersten" und den Gläubiger bei einer die Vollstreckungsforderung nicht deckenden Summe am wenigsten ertragsreichen Weg. Lebensversicherungen gewinnen ihren wesentlichen Wert erst nach Jahren, wenn die von der Versicherungsgesellschaft erwirtschafteten Überschussanteile den Verwaltungsaufwand und die gezahlten Provisionen übersteigen. Vor diesem Zeitpunkt kommt regelmäßig nicht einmal das eingezahlte Kapital zur Rückzahlung. Dazu nehmen die Versicherungen auch für die vorzeitige Kündigung und Abwicklung des Vertrages Abzüge vor. Letztlich entfällt vor Ablauf von zwölf Jahren die Steuerfreiheit, soweit es sich noch um einen älteren Vertrag handelt. Auch wenn die Rechtsprechung und Gesetzgebung hier den Lebensversicherungen in den letzten Jahren Schranken gesetzt hat, bleibt diese Grundsystematik unberührt.
Rz. 792
Wird der Gläubiger mit dem erzielbaren Rückkaufswert vollständig befriedigt, muss er auf diese Belange keine Rücksicht nehmen. Regelmäßig wird mit dieser Verwertungsart auch keine besondere Härte der Zwangsvollstreckung zu begründen sein, so dass auch ein Antrag des Schuldners nach § 765a ZPO (siehe § 16) ins Leere geht. Ist allerdings eine solche vollständige Befriedigung nicht zu erzielen und weiteres verwertbare Vermögen nicht oder jedenfalls nicht ohne weiteres vorhanden, so sollte der Gläubiger die nachfolgenden Verwertungsarten prüfen.
Rz. 793
Für die Kündigung und Realisierung des Rückkaufswertes ist ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nach §§ 829, 835 ZPO ausreichend. Der Kläger muss aufgrund des mitgepfändeten Kündigungsrechtes dann die Kündigung gegenüber dem Versicherungsunternehmen aussprechen. In der Folge erhält er den Rückkaufswert ausgezahlt.
2. Abwarten der Auskehrung nach Ablauf der Versicherungszeit
Rz. 794
Eine optimale Befriedigung kann erreicht werden, wenn die Kapitallebensversicherung in absehbarer Zeit nach Ablauf von mindestens zwölf Versicherungsjahren fällig wird und die Versicherungsleistung nebst Überschussbeteiligung dann in voller Höhe ausgekehrt wird. Für vor dem 1.1.2005 geschlossene Lebensversicherungen besteht nach Ablauf von zwölf Versicherungsjahren sodann Steuerfreiheit. Welcher Zeitraum "absehbar" ist und vom Gläubiger abgewartet werden kann, wird im Wesentlichen von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Gläubigers selbst abhängen und ist dementsprechend im Einzelfall zu bestimmen.
In diesem Fall ist eine Zurückstellung der Kündigung des Versicherungsvertrages und der Einziehung des Rückkaufswertes bis zur Fälligkeit zu empfehlen, wenn der Gläubiger über eine den Rückkaufswert der Versicherung übersteigende Vollstreckungsforderung verfügt und auf diese Weise eine erheblich höhere Befriedigungsquote erzielen kann.
Rz. 795
Hinweis
Der Gläubiger riskiert in diesem Fall allerdings, dass der im Versicherungsschein genannte Bezugsberechtigte oder die Ehefrau, der Lebenspartner oder die Kinder des Schuldners nach § 170 VVG (§ 177 VVG a.F.) in den Versicherungsvertrag eintreten (siehe nachfolgend unter IV. 4.). Allerdings steht er sich dann auch nicht schlechter als in der ersten Verwertungsalternative, so dass es sich um ein "überschaubares" Risiko handelt.
Rz. 796
Der Schuldner wird mit der Pfändung der Kapitallebensversicherung die Zahlung der Versicherungsprämien unverzüglich einstellen, wenn er dies nicht ohnehin schon getan hat. Dies berührt den Gläubiger selbst jedoch nicht.
Rz. 797
Dieser kann entweder die Prämien weiter zahlen – was der Versicherer als Drittschuldner nach § 34 VVG (§ 35a VVG a.F.) nicht zurückweisen kann – und diese als Kosten der Zwangsvollstreckung – ähnlich wie die Ratenzahlungen beim Eigentumsvorbehalt – nach § 788 ZPO geltend machen.
Rz. 798
Nach § 165 VVG (§ 174 VVG a.F.) kann der Gläubiger nach der Pfändung der Versicherung und Überweisung zur Einziehung die Versicherung aber auch ohne wesentliche wirtschaftliche Beeinträchtigung in der Endphase der Vertragslaufzeit in eine prämienfreie Versiche...