Rz. 10

Das Prozessführungsrecht des Testamentsvollstreckers im Aktivprozess nach § 2212 BGB verdrängt die Prozessführungsbefugnis des Erben. Allerdings ist der Testamentsvollstrecker nur befugt, ein seiner Verwaltung unterliegendes Recht gerichtlich geltend zu machen. Erheben die Erben dennoch ohne Prozessführungsbefugnis eine Klage oder erhebt der Testamentsvollstrecker außerhalb seiner Verwaltungsbefugnis eine Klage, sind diese wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung als unzulässig abzuweisen.[15]

Ein unter Verkennung der Prozessführungsbefugnis der Erben erstrittenes Urteil wirkt nicht gegen den Testamentsvollstrecker.[16]

Die Prozessführungsbefugnis folgt regelmäßig dem materiellen rechtlich bestehenden Verfügungsrecht, beim Testamentsvollstrecker folgt sie jedoch seiner Verfügungsbefugnis nach § 2205 BGB.[17] Die Ausnahme bilden hierbei § 265 ZPO, wenn der Anspruch vom Testamentsvollstrecker abgetreten oder veräußert wurde. Gleiches gilt bei der Teilverwaltung nach § 2213 Abs. 1 S. 2 BGB.

[15] BGH NJW 1960, 523; MüKo/Zimmermann, § 2212 Rn 3; Soergel/Damrau, § 2212 Rn 2.
[16] Soergel/Damrau, § 2212 Rn 2.
[17] BGHZ 51, 125; J. Mayer, in: Mayer/Bonefeld, § 9 Rn 94.

1. Umfang der Aktivlegitimation des Testamentsvollstreckers

a) Klagen als Testamentsvollstrecker

 

Rz. 11

Der Umfang des Prozessführungsrechts des Testamentsvollstreckers hängt vom Umfang seines Verwaltungsrechts ab. Zunächst ist daher zu prüfen, ob der Erblasser nach § 2208 BGB das Verwaltungsrecht des Testamentsvollstreckers eingeschränkt hat. Anderenfalls ist der Testamentsvollstrecker grundsätzlich zu jeder Art der gerichtlichen Geltendmachung des seiner Verwaltung unterliegenden Nachlasses berechtigt.

 

Rz. 12

Dies sind z.B.:

Erwirkung eines Mahn- oder Vollstreckungsbescheides
Antrag auf Arrest oder einstweilige Verfügung
Leistungsklagen
Feststellungsklagen[18]
Durchführung der Zwangsvollstreckung
Klagen im Rahmen der Zwangsvollstreckung wie Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO
Antrag auf Teilungsversteigerung nach § 175 ZVG
Aufgebot der Nachlassgläubiger gem. § 991 Abs. 2 ZPO
Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 317 InsO
Forderungen des Erblassers gegen den oder die Erben[19]
Verfahren in Grundbuchsachen[20]
Klagen gegen Erbschaftsbesitzer nach §§ 2018, 2027, 2028, 2029 BGB[21]
Patentnichtigkeitsklage.[22]
Der Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers unterliegt – vorbehaltlich einer abweichenden Bestimmung durch den Erblasser – auch ein in den Nachlass fallender Pflichtteilsanspruch.[23]
 

Rz. 13

Unterliegt der gesamte Nachlass der Testamentsvollstreckung, kann der Testamentsvollstrecker in dieser Eigenschaft auch den Erbschaftsanspruch geltend machen.[24]

Der Testamentsvollstrecker kann sowohl den

ordentlichen Zivilrechtsweg als auch den
Verwaltungsrechtsweg

begehen. Gleiches gilt für das

Schiedsverfahren,
das finanzgerichtliche Verfahren[25] sowie
das FamFG-Verfahren. Im Rahmen des Erbprozesses kann der Testamentsvollstrecker auch zur Abgabe von
Verzichten,
Anerkenntnissen und
Vergleichen

berechtigt sein.[26]

Ebenso ist die Erhebung einer

Widerklage[27]

möglich.

 

Rz. 14

Sofern jedoch der Testamentsvollstrecker im Rahmen des Prozesses verzichtet, anerkennt oder einen Vergleich abschließen will, sind auch die Anordnungen des Erblassers nach § 2208 BGB und das Schenkungsverbot nach § 2205 S. 3 BGB zu berücksichtigen. Verstößt der Testamentsvollstrecker gegen diese Anordnungen bzw. das Schenkungsverbot, tritt keine Verfahrensbeendigung ein, da nach der herrschenden Meinung wegen der Doppelnatur der Prozesshandlung und der Nichtigkeit der materiell-rechtlichen Seite dies Auswirkungen auf die prozessuale Seite hat, mit der Folge, dass die übernommene Verpflichtung auch für den Prozess unwirksam ist.[28]

 

Rz. 15

Des Weiteren hat der Testamentsvollstrecker die Verjährungshemmung nach § 211 BGB zu beachten. Danach wird die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit der Amtsannahme durch den Testamentsvollstrecker beendet, soweit der Anspruch der Testamentsvollstreckung unterliegt.[29] Dies gilt sowohl zum Schutze des Nachlasses als auch zum Schutze der Gläubiger.

 

Rz. 16

Da § 2212 BGB nicht zwingend ist,[30] kann der Erblasser im Rahmen seiner letztwilligen Anordnung das Prozessführungsrecht auch den Erben zuweisen nach § 2208 Abs. 1 S. 1 BGB. Hat der Erblasser beiden, dem Testamentsvollstrecker und den Erben, das Prozessführungsrecht übertragen, sind beide ausnahmsweise notwendige Streitgenossen nach § 62 Abs. 1 Alt. 2 ZPO.[31]

[18] Sofern nicht Feststellung des Erbrechts nach dem Erblasser. Eine negative Feststellungsklage ist ein Passivprozess.
[19] Soergel/Damrau, § 2212 Rn 7; Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn 598; a.A. Staudinger/Reimann, § 2214 Rn 1.
[20] BayObLG BayObLGZ 1951, 454.
[21] MüKo/Zimmermann, § 2212 Rn 10; Soergel/Damrau, § 2212 Rn 7; Staudinger/Reimann, § 2212 Rn 28.
[22] BGH NJW 1966, 2059, wobei die Klage jedoch gegen den Erben zu richten ist gem. § 81 Abs. 1 S. 2 PatG.
[23] BGH ZErb 2015, 60 = DNotZ 2015, 144 = ZEV 2015, 107.
[24] Lange/Kuchinke, § 31 VI 4c.
[25] M...

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