Dr. iur. Wolfram Viefhues
I. Verfahrenskostenhilfeformular
Rz. 1
Das zwingend vorzulegende Formular zur Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe umfasst 4 Seiten (siehe§ 25 Rdn 1 ff.). Hinzu kommt ein zweiseitiger Belehrungsbogen, von dem unterstellt wird, dass der Antragsteller ihn gelesen hat.
Rz. 2
Praxistipp:
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Das Formular ist vollständig und wahrheitsgemäß auszufüllen. |
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Das Formular enthält Ankreuzfelder für JA und NEIN. |
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Felder für die Angabe "Weiß ich nicht" oder "Will ich nichts zu sagen" sind bewusst nicht vorgesehen. |
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Unvollständig ausgefüllte Fragebögen wird das Gericht zurückschicken. Das ist mit vermeidbarem Mehraufwand verbunden. |
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Bei unrichtigen Angaben steht der strafrechtliche Vorwurf des (versuchten) Betruges im Raum, der auch durch eine Rücknahme des Verfahrenskostenhilfe-Antrages nicht beseitigt werden kann. |
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Angesichts der umfangreichen Erläuterungen in dem zum Formular gehörenden zweiseitigen Belehrungsblatt dürfte man mit der Einlassung, etwas nicht gewusst zu haben, nicht durchdringen. |
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In Unterhaltsverfahren sollte verstärkt darauf geachtet werden, dass sich keine Abweichungen zwischen den Angaben zur VKH und den Ausführungen zum Unterhaltsanspruch ergeben. |
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Das Risiko, mit falschen oder unvollständigen Angaben aufzufallen, ist in Familiensachen hoch. Familiengerichtliche Streitigkeiten erstrecken sich oft über mehrere Akten und einen längeren Zeitraum. |
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Nicht ganz selten kommt es vor, dass sich Verfahrensbeteiligte im ersten Verfahren bei ihrem Verfahrenskostenhilfe-Antrag "arm rechnen", dann aber einige Zeit später im Unterhaltsverfahren höhere Einkünfte herauskommen oder gar über Zugewinn gestritten wird. |
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Dies kann zu sehr unangenehmen Rückfragen führen, die beim Verfahrensbevollmächtigten viel Arbeit auslösen, ihm aber keinerlei weitere Gebühren bescheren. |
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Hier sollte die Mandantschaft von vorneherein eindringlich zu wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben veranlasst werden. |
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Falsche Angaben zur Verfahrenskostenhilfe prellen nicht nur den Justizfiskus um die Gerichtsgebühren, sondern auch den Verfahrensbevollmächtigten um sein volles Honorar. Zu den Rechtsfolgen falscher Angaben siehe Rdn 15. |
Die – aktuelle – Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die dazugehörenden Belege können bei der Verfahrenskostenhilfeüberprüfung im Beschwerdeverfahren gegen die Bewilligungsaufhebung nachgereicht werden.
II. Besondere Risikofelder im Verfahrenskostenhilfeformular
Rz. 3
Das Verfahrenskostenhilfe-Formular löst in zwei Bereichen besondere Risiken in familienrechtlichen Verfahren aus.
1. Hinweis zu Sozialleistungen
Rz. 4
Die Belehrung zu bei Sozialleistungsbezug in der Überschrift des Formulars auf Seite 2 des Formulars lautet:
Rz. 5
Praxistipp:
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Wer also Sozialleistungen nach SGB XII bezieht, muss Teile des Formulars nicht ausfüllen. |
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Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Antragssteller, die Sozialleistungen nach anderen Vorschriften beziehen, auch diese Teile des Formulars vollständig ausfüllen müssen. |
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In der Praxis ist den Antragstellern selten klar, nach welchen Vorschriften die Sozialleistungen bezogen werden. |
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Nun kann der Verfahrensbevollmächtigte sich die Arbeit machen, dies selbst zu überprüfen. |
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Der einfachere und pragmatischere Weg ist, die Mandantschaft in jedem Fall des Sozialbezuges zu veranlassen, alle Felder des Formulars auszufüllen. |
2. Lebens- und Rentenversicherungen
Rz. 6
Auf Seite 3 des Formulars wird im Teil G Vermögen Ziffer 5 nach "Lebens- und Rentenversicherung" gefragt:
Rz. 7
Praxistipp:
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Während die gesetzliche Rentenversicherung und Riester-Renten bei der Verfahrenskostenhilfe anrechnungsfrei sind, sind andere Versicherungen anzurechnen und daher im Formular einzutragen. |
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Wird hier "NEIN" angekreuzt, so besteht das Risiko, dass später im Versorgungsausgleich im Formular V10 Versicherungen angegeben werden, die auch hier im Verfahrenskostenhilfe-Formular hätten angegeben werden müssen. Das löst unangenehme und für den Anwalt arbeitsintensive Rückfragen aus. |
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Daher sollte man hier zusätzlich alle Renten- und Lebensversicherungen auflisten und dem Gericht die Prüfung überlassen, ob diese Versicherung für die Verfahrenskostenhilfe relevant ist. |
III. Mitwirkungspflichten und Auflagen im Verfahrenskostenhilfeformular
Rz. 8
Der Antragsteller ist zur Mitwirkung verpflichtet. Geschieht dies nicht, ist mit der Ablehnung des Antrags zu rechnen.
BGH, Beschl. v. 16.11.2017 – IX ZA 21/17
Zitat
Prozesskostenhilfe kann mangels Bedürftigkeit nicht bewilligt werden, wenn der Antragsteller, der nach eigenen Angaben weder über Einkommen noch Vermögen verfügt, nicht darlegt, wie er seinen Lebensunterhalt bestreitet und die Kosten der Vorinstanzen aufgebracht hat.
Rz. 9
BGH, Beschl. v. 10.10.2012 – IV ZB 16/12
Zitat
Im Prüfungsverfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe, das unter einem besonderen Beschleunigungsgebot steht (vgl. dazu Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 118 Rn 13), ist der Antragsteller – wie sich insbesondere aus § 117 Abs. 2 Satz 1 und § 118 Abs. 2 ZPO ergibt – bei der Aufklärung seiner persönlichen und wirt...