Dr. iur. Wolfram Viefhues
I. Eigene wirtschaftliche Verhältnisse des antragstellenden Ehegatten
Rz. 29
Wirtschaftliche Bedürftigkeit besteht nur, soweit der Beteiligte die Verfahrenskosten nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Abzustellen ist auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers.
1. Einkommen des Antragstellers
Rz. 30
Es gelten die PKH-Regelungen des § 114 S. 1 ZPO und vor allem für die Berechnung des Einsatzes von Einkommen und Vermögen die Regelung des § 115 ZPO.
Diese Freibeträge, die nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 lit. b und Nr. 2 ZPO vom Einkommen der Partei abzusetzen sind, werden regelmäßig angepasst.
Rz. 31
Es gilt stets der im Zeitpunkt der Bewilligung gültige Satz. Eine nachträgliche Änderung kann in den Fällen, in denen während der vierjährigen Ratenlaufzeit aufgrund von Erhöhungen der Bedarfssätze das Existenzminimum bei fortbestehender Ratenhöhe gefährdet wird, nach § 120 Abs. 4 ZPO vorgenommen werden.
BGH v. 20.5.2020 – XII ZB 537/19
Verfahrenskostenhilfe und Bayerisches Familiengeld
Zitat
Das Bayerische Familiengeld unterfällt als vergleichbare Landesleistung im Sinne des § 10 Abs. 1 BEEG dieser Regelung und bleibt deshalb als einzusetzendes Einkommen im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe unberücksichtigt, soweit es zusammen mit den weiteren in dieser Vorschrift genannten Leistungen monatlich 300 EUR nicht übersteigt.
OLG Brandenburg v. 5.12.2019 – 9 WF 298/19
Fiktive Einkünfte bei der Verfahrenskostenhilfe
Zitat
Bei einem nicht erwerbstätigen Antragsteller können auch fiktive Einkünfte angerechnet werden.
Ein um Verfahrenskostenhilfe Ersuchender hat grundsätzlich darzulegen, welche Bemühungen er unternimmt, um eine den eigenen Lebensunterhalt sicherstellende Erwerbstätigkeit zu finden. Es ist nicht Aufgabe des Staates, arbeitsunwilligen Personen die Kosten des Verfahrens zu finanzieren.
2. Vermögen des Antragstellers
Rz. 32
Vorhandenes und realisierbares Vermögen ist grundsätzlich zu nutzen (§ 115 Abs. 3 ZPO). Der Bedürftige hat alle verfügbaren eigenen Mittel einzusetzen, bevor ihm staatliche Hilfe auf Kosten der Allgemeinheit bewilligt werden kann. Das gilt auch, wenn der um Verfahrenskostenhilfe Nachsuchende bei einer Gegenüberstellung all seiner Aktiva und Passiva über keinen positiven Vermögenssaldo verfügt.
3. Geschütztes Vermögen
Rz. 33
Geschützt ist der sozialhilferechtlich definierte Notgroschen (seit dem 1.4.2017 gilt eine Schonvermögensgrenze von 5.000 EUR).
Das übrige Vermögen ist nur dann nicht für die Verfahrenskosten einzusetzen, wenn der Vermögenseinsatz für die Partei eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Eine solche Härte, die dargelegt werden muss, kann sich entweder aus der Unwirtschaftlichkeit der Verwertung ergeben oder daraus, dass der Vermögenseinsatz die Aufrechterhaltung einer angemessenen Altersversorgung wesentlich erschweren würde.
4. Verwertbarkeit des Vermögens
Rz. 34
Entscheidend ist dabei in der Praxis die Frage der Verwertbarkeit. Maßgeblich ist hier nicht nur auf eine mögliche Veräußerung eines Vermögensgegenstandes, sondern auch eine Belastung.
5. Aktuelles Vermögen
Rz. 35
Bei der Bewilligung von VKH kann nur auf die aktuellen finanziellen Verhältnisse abgestellt werden. Erst nach Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe erlangtes Vermögen führt daher nicht zur Aufhebung des Bewilligungsbeschlusses nach § 124 ZPO, jedoch kann eine nachträgliche Zahlungsanordnung gem. § 120 Abs. 4 ZPO ergehen.
Rz. 36
Auch eine Rentenversicherung ist ein Vermögenswert, der grundsätzlich zur Deckung der Verfahrenskosten einzusetzen ist. Lebensversicherungen sind folglich grundsätzlich für die Verfahrenskosten zu verwerten. Ausgenommen sind nur Kapitalbeträge, die der zusätzlichen Altersversorgung im Sinn des § 10a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes dienen und deren Ansammlung staatlich gefördert wurde (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII). Dies sind vornehmlich die nach Bundesrecht geförderten sogenannten Riester- oder Rürup-Renten. Da staatlich geförderte Altersversorgungen praktisch nicht aufgelöst werden können, ohne die gewährte Förderung zurückzuzahlen, ist deren besonderer Schutz gerechtfertigt.
Rz. 37
Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist ausgeschlossen, wenn Vermögenswerte in Form auch eines nicht zuteilungsreifen Bausparguthabens vorhanden sind, jedenfalls mit dem Betrag, der über dem Schonvermögen liegt.
6. Unberechtigt ausgegebenes Vermögen
Rz. 38
BGH v. 20.6.2018 – XII ZB 636/17
Zitat
Sind Rechtsverfolgungskosten absehbar, darf vorhandenes Vermögen (Unterhaltsnachzahlungen) nicht mehr leichtfertig für nicht unbedingt notwendige Zwecke ausgegeben werden.
Andernfalls muss sich der Antrag...