Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 39
In der Praxis führt es immer wieder zu lästigen Rückfragen und Verzögerungen, wenn ein möglicher Anspruch auf einen Verfahrenskostenvorschuss – gerade gegen den Ehegatten – übersehen wird.
Dieser Anspruch ergibt sich für getrenntlebende Ehegatten aus § 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB.
Rz. 40
Praxistipp:
Nach Rechtskraft der Scheidung kann zwischen den geschiedenen Ehegatten kein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss mehr entstehen.
Wird daher in einer Familiensache Verfahrenskostenhilfe beantragt, so ist daher zunächst zu prüfen, ob nicht ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss besteht, der die Bedürftigkeit als Voraussetzung der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe entfallen lässt. Ein realisierbarer Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss ist einzusetzendes Vermögen im Sinne der Verfahrenskostenhilfe und ist damit vorrangig vor der staatlichen Verfahrenskostenhilfe zu realisieren!
Rz. 41
Die Rechtsverfolgung muss Aussicht auf Erfolg haben; es gilt also hier der gleiche Prüfungsmaßstab wie bei der Entscheidung des Gerichts über die Verfahrenskostenhilfe. Der Verfahrenskostenvorschuss kann auch verweigert werden, wenn die Rechtsverfolgung mutwillig ist. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn es erkennbar aussichtslos ist, den zu erwirkenden Vollstreckungstitel auch tatsächlich zu vollstrecken.
Rz. 42
Der Anspruch setzt zum einen die Bedürftigkeit des Berechtigten, zum anderen die Leistungsfähigkeit des verpflichteten Ehegatten voraus. Für beides ist der Gesichtspunkt der Billigkeit maßgebend.
Rz. 43
Der Berechtigte muss demnach außerstande sein, die Kosten des Verfahrens selbst zu tragen. Dabei muss er grundsätzlich nur bereite Mittel einsetzen. Angemessene Rücklagen für Notzeiten brauchen nicht angetastet werden. Seine Bedürftigkeit kann aber dann ausscheiden, wenn er in der Lage ist, die benötigten Mittel für ein vorhersehbares gerichtliches Verfahren über einen zumutbaren Zeitraum anzusparen. Grundsätzlich muss der Berechtigte auch eigenes Vermögen einsetzen, soweit es verfügbar ist. Der Einsatz des Vermögens zur Deckung eines Verfahrenskostenvorschussanspruches ist nur gerechtfertigt, wenn es sich um bereite Mittel handelt und deren Verwertung das Vermögen des Pflichtigen nicht erheblich beeinträchtigt. Grundvermögen muss jedoch nicht veräußert werden; es kann aber u.U. verlangt werden, Grundbesitz zu belasten.
Rz. 44
Praxistipp:
Danach ist ein Anspruch ausgeschlossen, wenn ein nicht unerhebliches eigenes Einkommen zur Verfügung steht, mag auch der Verpflichtete über ein höheres Einkommen verfügen.
Aus Gründen der Billigkeit ist die Bedürftigkeit allerdings auch unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zu beurteilen: je leistungsfähiger der verpflichtete Ehegatte ist, um so geringere Anforderungen sind an die Bedürftigkeit des anderen zu stellen.
Vielfach wird vertreten, dass beim Ehegattenunterhalt ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss in der Regel ausscheide, wenn der Unterhalt nach Quoten bemessen wird und zusätzliches nicht prägendes Einkommen nicht vorhanden ist.
Der Verpflichtete muss zudem leistungsfähig sein. Dies bedeutet in der Praxis, dass er erst einmal in der Lage sein muss, seine normalen Unterhaltsverpflichtungen zu decken, bevor er zu zusätzlichen Zahlungen von Verfahrenskostenvorschuss verpflichtet werden kann.
Rz. 45
Ist dem Verpflichteten selbst ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden, ist vor Ansprüchen der Gegenseite auf Verfahrenskostenvorschuss i.d.R. sicher.
Rz. 46
Praxistipp:
Ist dem Verpflichteten selbst ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden, ist vor Ansprüchen der Gegenseite auf Verfahrenskostenvorschuss i.d.R. sicher.
Auch wenn der Verpflichtete zu Ratenzahlungen herangezogen werden könnte, ist ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss nicht ausgeschlossen. Zu prüfen ist, ob er den Vorschuss ratenweise ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Selbstbehaltes leisten kann und dann dem Berechtigten Verfahrenskostenhilfe nur mit entsprechenden Ratenzahlungsanordnungen zu gewähren ist.
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Der Vorschusspflichtige muss dann den Vorschuss in Raten zahlen. Eine weitergehendere Ratenzahlungsbelastung, als sie nach § 115 Abs. 1 ZPO in Betracht kommt, darf dabei aber insgesamt nicht erfolgen. |
Rz. 47
Die Darlegungs- und Beweislast obliegt insoweit dem Anspruchsteller. Dieser hat seine Bedürftigkeit sowie die tatsächlichen Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die Billigkeit der Vorschusszahlung ergibt.
Rz. 48
Verlangt werden können die für die gerichtliche Verfolgung des Anspruchs erforderlichen angemessenen Kosten; hier hat der Anwalt eine detaillierte Gebührenrechnung zu erstellen. Da es sich um einen Vorschuss handelt, können bereits angefallene Gebühren nicht mehr verlangt werden.
Rz. 49
BGH v. 12.4.2017 – XII ZB 254/16