a) Überblick
Rz. 43
Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV entstanden ist, wird diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr eines nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens (auch Beweisverfahren oder Mahnverfahren) angerechnet (Vorbem. 3 Abs. 4 VV). Ebenso wird eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV auf die Geschäftsgebühr eines Güte- oder Schlichtungsverfahrens (Nr. 2303 VV) angerechnet (Vorbem. 2.3 Abs. 6 VV).
Rz. 44
Ausdrücklich geregelt ist, dass die Anrechnung nur nach dem Wert des Gegenstandes erfolgt, der in das gerichtliche Verfahren übergegangen ist (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 4, Vorbem. 2.3 Abs. 6 VV).
b) Einfache Anrechnungsfälle
Rz. 45
Beispiel 22: Anrechnung – Schwellengebühr
Der Anwalt macht außergerichtlich für den Auftraggeber eine Forderung in Höhe von 8.000,00 EUR geltend. Die Sache ist durchschnittlich, aber weder umfangreich noch schwierig. Der Schuldner zahlt nicht. Der Anwalt erhebt daraufhin auftragsgemäß Klage, über die verhandelt wird.
Die Geschäftsgebühr ist mit 1,3 anzusetzen (Anm. zu Nr. 2300 VV). Angerechnet wird diese Gebühr zur Hälfte, also nach einem Gebührensatz von 0,65.
I. |
Außergerichtliche Vertretung |
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
|
652,60 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
672,60 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
127,79 EUR |
Gesamt |
|
800,39 EUR |
II. |
Gerichtliches Verfahren |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
652,60 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, |
|
– 326,30 EUR |
|
0,65 aus 8.000,00 EUR |
|
|
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
602,40 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
948,70 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
180,25 EUR |
Gesamt |
|
1.128,95 EUR |
Rz. 46
Beispiel 23: Anrechnung – Geschäftsgebühr über 1,5
Der Anwalt macht außergerichtlich für den Auftraggeber eine Forderung in Höhe von 8.000,00 EUR geltend. Die Sache ist umfangreich und schwierig, sodass eine 2,0-Gebühr angemessen ist. Der Schuldner zahlt nicht. Der Anwalt erhebt daraufhin auftragsgemäß Klage, über die verhandelt wird.
Liegt die Geschäftsgebühr über 1,5, so greift die Begrenzung der Anrechnung auf höchstens eine 0,75-Gebühr. Faktisch ist damit der über 1,5 hinausgehende Teil der Geschäftsgebühr anrechnungsfrei.
I. |
Außergerichtliche Vertretung |
1. |
2,0-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
|
1.004,00 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.024,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
194,56 EUR |
Gesamt |
|
1.218,56 EUR |
II. |
Gerichtliches Verfahren |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
652,60 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, |
|
– 376,50 EUR |
|
0,75 aus 8.000,00 EUR |
|
|
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
602,40 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
898,50 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
170,92 EUR |
Gesamt |
|
1.069,22 EUR |
Rz. 47
Auch die Geschäftsgebühr für ein einfaches Schreiben (Nr. 2301 VV) ist nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, da es sich um eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV handelt, lediglich mit einem geringeren festen Gebührensatz. Anzurechnen ist in Höhe von 0,15.
Beispiel 24: Anrechnung – einfaches Schreiben
Der Anwalt ist außergerichtlich für den Auftraggeber mit einem einfachen Schreiben beauftragt. Hiernach kommt es zur Klage, über die verhandelt wird (Wert: 8.000,00 EUR).
Die Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Vertretung wird jetzt zur Hälfte angerechnet, also nach einem Gebührensatz von 0,15.
I. |
Außergerichtliche Vertretung |
1. |
0,3-Geschäftsgebühr, Nrn. 2300, 2301 VV |
|
150,60 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
170,60 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
32,41 EUR |
Gesamt |
|
203,01 EUR |
II. |
Gerichtliches Verfahren |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
652,60 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, |
|
– 75,30 EUR |
|
0,15 aus 8.000,00 EUR |
|
|
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
602,40 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.199,70 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
227,94 EUR |
Gesamt |
|
1.427,64 EUR |
c) Anrechnung bei mehreren Auftraggebern
Rz. 48
Strittig war lange Zeit, wie bei mehreren Auftraggebern vorzugehen ist. Nach inzwischen einhelliger Rspr. greift die Erhöhung nach Nr. 1008 VV sowohl außergerichtlich als auch im anschließenden gerichtlichen Verfahren.
Rz. 49
Da die Erhöhung nach Nr. 1008 VV nicht zu einer eigenen Gebühr führt, stellt sich die Frage, ob eine "Erhöhungsgebühr" anzurechnen ist, nicht. Nr. 1008 VV schafft nicht einen eigenen Gebührentatbestand, sondern führt nur zur Erhöhung einer bereits anderweitig entstandenen Gebühr. Daher nimmt die Erhöhung auch an der Anrechnung teil. Soweit die nach Nr. 1008 VV erhöhte Geschäftsgebühr den Gebührensatz von 1,5 nicht übersteigt, ergibt sich kein Problem.