1. Anrechnung der Beratungsgebühr auf die Geschäftsgebühr
Rz. 40
Hat der Anwalt den Auftrag für eine Beratung erhalten, soll er eine Gebührenvereinbarung treffen. Geschieht dies nicht, erhält der Anwalt "Gebühren nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts". Unabhängig davon, ob die Beratung nach Vereinbarung oder nach BGB abgerechnet wird, ist die Gebühr für die Beratung nach § 34 Abs. 2 RVG auf die Gebühren anzurechnen, die in einer nachfolgenden Tätigkeit entstehen, also auch auf eine außergerichtliche Vertretung (Nr. 2300 VV) (siehe § 6 Rdn 27, Beispiel 10). Etwas anderes gilt nur, wenn die Parteien die Anrechnung ausgeschlossen haben.
Rz. 41
Geht die Beratung in vollem Umfang in die Vertretung über, ist mangels abweichender Vereinbarung voll anzurechnen.
Rz. 42
Geht die Beratung nur teilweise in die nachfolgende Vertretung über, ist zu differenzieren. Soweit eine wertabhängige Abrechnung der Beratung vereinbart ist (etwa eine bestimmte Gebühr nach dem Gegenstandswert), dürfte wie bei den gesetzlichen Gebühren analog Vorbem. 3 Abs. 4 S. 4 VV entsprechend dem Wert anzurechnen sein. Ist eine Pauschale oder eine BGB-Vergütung geschuldet, so ist im Zweifel verhältnismäßig nach Streitwertanteilen anzurechnen. Bei einer Stundensatzvereinbarung käme in Betracht, die Vergütung für diejenigen Stunden anzurechnen, die auf den betreffenden Gegenstand entfallen.
2. Anrechnung der Geschäftsgebühr auf nachfolgende Verfahrensgebühr eines gerichtlichen Verfahrens
a) Überblick
Rz. 43
Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV entstanden ist, wird diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr eines nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens (auch Beweisverfahren oder Mahnverfahren) angerechnet (Vorbem. 3 Abs. 4 VV). Ebenso wird eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV auf die Geschäftsgebühr eines Güte- oder Schlichtungsverfahrens (Nr. 2303 VV) angerechnet (Vorbem. 2.3 Abs. 6 VV).
Rz. 44
Ausdrücklich geregelt ist, dass die Anrechnung nur nach dem Wert des Gegenstandes erfolgt, der in das gerichtliche Verfahren übergegangen ist (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 4, Vorbem. 2.3 Abs. 6 VV).
b) Einfache Anrechnungsfälle
Rz. 45
Beispiel 22: Anrechnung – Schwellengebühr
Der Anwalt macht außergerichtlich für den Auftraggeber eine Forderung in Höhe von 8.000,00 EUR geltend. Die Sache ist durchschnittlich, aber weder umfangreich noch schwierig. Der Schuldner zahlt nicht. Der Anwalt erhebt daraufhin auftragsgemäß Klage, über die verhandelt wird.
Die Geschäftsgebühr ist mit 1,3 anzusetzen (Anm. zu Nr. 2300 VV). Angerechnet wird diese Gebühr zur Hälfte, also nach einem Gebührensatz von 0,65.
I. |
Außergerichtliche Vertretung |
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
|
652,60 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
672,60 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
127,79 EUR |
Gesamt |
|
800,39 EUR |
II. |
Gerichtliches Verfahren |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
652,60 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, |
|
– 326,30 EUR |
|
0,65 aus 8.000,00 EUR |
|
|
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
602,40 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
948,70 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
180,25 EUR |
Gesamt |
|
1.128,95 EUR |
Rz. 46
Beispiel 23: Anrechnung – Geschäftsgebühr über 1,5
Der Anwalt macht außergerichtlich für den Auftraggeber eine Forderung in Höhe von 8.000,00 EUR geltend. Die Sache ist umfangreich und schwierig, sodass eine 2,0-Gebühr angemessen ist. Der Schuldner zahlt nicht. Der Anwalt erhebt daraufhin auftragsgemäß Klage, über die verhandelt wird.
Liegt die Geschäftsgebühr über 1,5, so greift die Begrenzung der Anrechnung auf höchstens eine 0,75-Gebühr. Faktisch ist damit der über 1,5 hinausgehende Teil der Geschäftsgebühr anrechnungsfrei.
I. |
Außergerichtliche Vertretung |
1. |
2,0-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
|
1.004,00 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.024,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
194,56 EUR |
Gesamt |
|
1.218,56 EUR |
II. |
Gerichtliches Verfahren |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
652,60 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, |
|
– 376,50 EUR |
|
0,75 aus 8.000,00 EUR |
|
|
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
602,40 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
898,50 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
170,92 EUR |
Gesamt |
|
1.069,22 EUR |
Rz. 47
Auch die Geschäftsgebühr für ein einfaches Schreiben (Nr. 2301 VV) ist nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, da es sich um eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV handelt, lediglich mit einem geringeren festen Gebührensatz. Anzurechnen ist in Höhe von 0,15.
Beispiel 24: Anrechnung – einfaches Schreiben
Der Anwalt ist außergerichtlich für den Auftraggeber mit einem einfachen Schreiben beauftragt. Hiernach kommt es zur Klage, über die verhandelt wird (Wert: 8.000,00 EUR).
Die Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Vertretung wird jetzt zur Hälfte angerechnet, also nach einem Gebührensatz von 0,15.
I. |
Außergerichtliche Vertretung |
1. |
0,3-Geschäfts... |