Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 340
Nach § 239 Abs. 1 S. 1 FamFG kann auch die Abänderung von Vergleichen nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und vollstreckbarer Urkunden beantragt werden, sofern sie eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen enthalten. Im Gegensatz zu der durch gerichtliche Entscheidung auferlegten Unterhaltsverpflichtung können Unterhaltsregelungen in gerichtlichen Vergleichen – wie in vollstreckbaren Urkunden – nicht in materielle Rechtskraft erwachsen. Der Tatsachenvortrag in einem solchen Abänderungsverfahren unterliegt keiner zeitlichen Einschränkung, da die Präklusion aus § 238 Abs. 2 FamFG, die nur der Sicherung der Rechtskraftwirkung gerichtlicher Entscheidungen dient, keine entsprechende Anwendung findet. Daher können grundsätzlich auch Tatsachen geltend gemacht werden, die schon im Zeitpunkt der Errichtung des Titels bestanden haben. Ebenso wenig bestehen mangels Rechtskraft hinsichtlich des Zeitpunktes, ab dem eine Abänderung begehrt werden kann, verfahrensrechtliche Einschränkungen; § 238 Abs. 3 FamFG findet keine entsprechende Anwendung.
Dabei unterliegt die Abänderung eines Vergleichs keiner Wesentlichkeitsgrenze.
Die Vertragspartner eines Vergleichs können die Kriterien der Abänderbarkeit autonom bestimmen. Abweichend von § 238 Abs. 1 S. 2 FamFG bestimmen sich die Abänderungsvoraussetzungen allein nach dem materiellen Recht; somit primär danach, welche Voraussetzungen die Beteiligten für eine Abänderung vereinbart haben, im Übrigen nach den Regeln über die Störung bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB. Insofern verweist § 239 Abs. 2 FamFG wegen der übrigen Voraussetzungen und wegen des Umfangs der Abänderung auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, somit die Störung bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage sowie die Grundsätze über das Schuldanerkenntnis.
a) Störung der Geschäftsgrundlage
Rz. 341
Materiell richtet sich eine Vergleichsabänderung nach den Voraussetzungen des § 313 BGB, dessen Abs. 1 lautet:
Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann die Anpassung des Vertrages verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
Rz. 342
Nach Abs. 2 dieser Vorschrift steht es einer Veränderung der Umstände gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, sich als falsch herausstellen.
Rz. 343
Da es sich bei dem Vergleich um eine Parteivereinbarung handelt, kann eine Bindung auch im Sinne einer Unabänderbarkeit im Rahmen der Vertragsfreiheit in den Grenzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB, konkretisiert gerade durch § 313 Abs. 1 und 2 BGB) vereinbart werden. Danach ist insgesamt entscheidend, ob die seinerzeit einvernehmlich vereinbarte Grundlage des Vergleichs derart gestört ist, dass eine weitere Verpflichtung dem Antragsteller ganz oder teilweise nicht mehr zuzumuten ist; hierfür ist er darlegungs- und beweisbelastet. Voraussetzung ist aber andererseits eine Abänderbarkeit; da es sich bei dem Vergleich um eine Unterhaltsvereinbarung nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO handelt, muss auch insoweit nach dem Willen der Beteiligten gefragt werden.
Rz. 344
Dabei ist zunächst im Wege der Auslegung des Willens der Beteiligten die Geschäftsgrundlage des Vergleichs zu ermitteln. Ist in den danach maßgeblichen Verhältnissen seit Abschluss des Vergleichs eine Änderung eingetreten, muss die gebotene Anpassung der getroffenen Unterhaltsregelung an die veränderten Verhältnisse nach Möglichkeit unter Wahrung des Willens der Beteiligten und der ihm entsprechenden Grundlagen erfolgen.
Lässt sich dem Vergleich und dem ihm zugrunde liegenden Willen der Beteiligten kein hinreichender Ansatz für eine Anpassung an veränderte Umstände entnehmen, kann es geboten sein, die Abänderung ohne fortwirkende Bindung an die Grundlage des abzuändernden Vergleichs vorzunehmen; der Unterhalt ist dann wie bei einer Erstfestsetzung nach den gesetzlichen Vorschriften zu bemessen.
Rz. 345
Das gilt allerdings nicht, soweit die Beteiligten in dem Unterhaltsvergleich bewusst eine restlose und endgültige Regelung getroffen und damit eine spätere Abänderung wegen nicht vorhersehbarer Veränderungen der maßgeblichen Verhältnisse ausdrücklich ausgeschlossen haben. Die abschließende Einigung auf der Grundlage einer bloßen Prognose ist dann Vertragsinhalt und nicht nur dessen Geschäftsgrundlage, z.B. wenn die Beteiligten mit der Vereinbarung eines Abfindungsbetrages eine abschließende Regelung ihres Unterhaltsrechtsverhältnisses herbeiführen wollen, auch wenn der Betrag in künftigen Raten zu zahlen ist. Haben die Beteiligten in einem S...