Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
a) Statthaftigkeit
Rz. 468
Nach § 66 FamFG kann jeder Beschwerdeberechtigte sich der Beschwerde eines anderen Beteiligten anschließen. Dies gilt auch dann, wenn er auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist. Weiterhin ist es auch nicht erforderlich, dass der Beschwerdewert von 600 EUR nach § 61 Abs. 1 FamFG erreicht wird.
b) Beschwerdeberechtigung
Rz. 469
Erforderlich ist allerdings die Beschwerdeberechtigung im Sinne des § 59 FamFG. Hat der Beschwerdegegner im Ausgangsverfahren sein rechtliches Ziel vollumfänglich erreicht und kann er auch einen nachträglich erhöhten Unterhaltsbedarf nicht geltend machen, so ist für eine Anschlussbeschwerde kein Raum. Die Anschlussbeschwerde muss also mehr erstreben als nur die reine Zurückweisung des Hauptrechtsmittels. In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn vielfach darauf hingewiesen wird, dass eine formelle Beschwer für die Anschlussbeschwerde nicht erforderlich sei.
Rz. 470
Praxistipp
Die Zielsetzung einer Anschlussbeschwerde ist in der Regel, das Verbot der reformatio in peius aufzuheben (vgl. § 117 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 528 ZPO), das heißt für den Beschwerdeführer das Risiko zu eröffnen, dass das Beschwerdeverfahren auch zu seinem Nachteil ausgehen kann.
Beispiel: Hat die Antragstellerin im Unterhaltsverfahren beim Familiengericht einen Unterhalt von 500 EUR (statt der beantragten 1.000 EUR) zugestanden bekommen und legt hiergegen Beschwerde ein, so kann das Beschwerdegericht aufgrund der Vorschrift der § 117 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 528 ZPO den bereits vom Familiengericht zugestandenen Unterhalt von 500 EUR nicht reduzieren. Legt aber der Antragsgegner eine Anschlussbeschwerde mit dem Ziel ein, keinen Unterhalt entrichten zu müssen, so ist dies möglich, weil das Verschlechterungsverbot nunmehr nicht mehr gilt.
Insoweit wird häufig auch im Zusammenhang mit der Anschlussbeschwerde dargestellt, diese sei kein echtes Rechtsmittel, sondern nur ein Angriff im Rahmen der fremden Hauptbeschwerde.
Eine unzulässige Hauptbeschwerde (etwa wegen Versäumung der Beschwerdefrist nach § 63 Abs. 1 FamFG) kann in eine Anschlussbeschwerde umgedeutet werden.
c) Akzessorietät
Rz. 471
Der "Nachteil" der Anschlussbeschwerde ist die Akzessorietät: Wird die "Hauptbeschwerde" zurückgenommen oder als unzulässig verworfen, so verliert die Anschlussbeschwerde ihre Wirkung (§ 66 S. 2 FamFG).
d) Frist zur Anschließung
Rz. 472
Das Beschwerdegericht kann gem. § 117 Abs. 2 S. 1 FamFG i.V.m. § 521 Abs. 2 ZPO dem Beschwerdegegner eine Erwiderungsfrist setzen. Diese Frist ist dann auch prozessualer Anknüpfpunkt für die Anschlussbeschwerde, vgl. § 117 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 524 Abs. 2 S. 2 und S. 3 ZPO, die nur bis zum Ablauf dieser gesetzten Frist zur Beschwerdeerwiderung zulässig ist.
Rz. 473
Keine Anwendung findet die Befristung nach § 524 Abs. 2 S. 3 ZPO bei wiederkehrenden Leistungen, also in Unterhaltssachen. Damit kann eine Anschlussbeschwerde sogar noch in der mündlichen Verhandlung beim Beschwerdegericht erhoben werden.
Die Beteiligten sind in Unterhaltssachen gehalten, auf jegliche Änderung maßgeblicher Unterhaltsverhältnisse unverzüglich zu reagieren, ansonsten sie in späteren Abänderungsverfahren präkludiert sind, vgl. § 238 Abs. 2 FamFG.
e) Der Sachantrag der Anschlussbeschwerde
Rz. 474
Der Antrag im Rahmen einer Anschlussbeschwerde kann wie folgt formuliert werden:
Muster 8.13: Sachantrag der Anschlussbeschwerde
Muster 8.13: Sachantrag der Anschlussbeschwerde
Ich stelle folgende Anträge:
1. |
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Unterhaltsbeschluss des Amtsgerichts _________________________ – Familiengericht – vom _________________________, Az.: _________________________, wird zurückgewiesen. |
2. |
Der Unterhaltsbeschluss des Amtsgerichts _________________________ – Familiengericht – vom _________________________, Az.: _________________________, wird wie folgt geändert: |
Der Antragsteller wird verpflichtet, an die Antragsgegnerin über den im angefochtenen Beschluss zugesprochenen Unterhalt in Höhe von monatlich _________________________ EUR hinaus, einen weiteren zum Ersten eines jeden Monats im Voraus zu leistenden Unterhalt in Höhe von _________________________ EUR zu zahlen.