Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 341
Materiell richtet sich eine Vergleichsabänderung nach den Voraussetzungen des § 313 BGB, dessen Abs. 1 lautet:
Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann die Anpassung des Vertrages verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
Rz. 342
Nach Abs. 2 dieser Vorschrift steht es einer Veränderung der Umstände gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, sich als falsch herausstellen.
Rz. 343
Da es sich bei dem Vergleich um eine Parteivereinbarung handelt, kann eine Bindung auch im Sinne einer Unabänderbarkeit im Rahmen der Vertragsfreiheit in den Grenzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB, konkretisiert gerade durch § 313 Abs. 1 und 2 BGB) vereinbart werden. Danach ist insgesamt entscheidend, ob die seinerzeit einvernehmlich vereinbarte Grundlage des Vergleichs derart gestört ist, dass eine weitere Verpflichtung dem Antragsteller ganz oder teilweise nicht mehr zuzumuten ist; hierfür ist er darlegungs- und beweisbelastet. Voraussetzung ist aber andererseits eine Abänderbarkeit; da es sich bei dem Vergleich um eine Unterhaltsvereinbarung nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO handelt, muss auch insoweit nach dem Willen der Beteiligten gefragt werden.
Rz. 344
Dabei ist zunächst im Wege der Auslegung des Willens der Beteiligten die Geschäftsgrundlage des Vergleichs zu ermitteln. Ist in den danach maßgeblichen Verhältnissen seit Abschluss des Vergleichs eine Änderung eingetreten, muss die gebotene Anpassung der getroffenen Unterhaltsregelung an die veränderten Verhältnisse nach Möglichkeit unter Wahrung des Willens der Beteiligten und der ihm entsprechenden Grundlagen erfolgen.
Lässt sich dem Vergleich und dem ihm zugrunde liegenden Willen der Beteiligten kein hinreichender Ansatz für eine Anpassung an veränderte Umstände entnehmen, kann es geboten sein, die Abänderung ohne fortwirkende Bindung an die Grundlage des abzuändernden Vergleichs vorzunehmen; der Unterhalt ist dann wie bei einer Erstfestsetzung nach den gesetzlichen Vorschriften zu bemessen.
Rz. 345
Das gilt allerdings nicht, soweit die Beteiligten in dem Unterhaltsvergleich bewusst eine restlose und endgültige Regelung getroffen und damit eine spätere Abänderung wegen nicht vorhersehbarer Veränderungen der maßgeblichen Verhältnisse ausdrücklich ausgeschlossen haben. Die abschließende Einigung auf der Grundlage einer bloßen Prognose ist dann Vertragsinhalt und nicht nur dessen Geschäftsgrundlage, z.B. wenn die Beteiligten mit der Vereinbarung eines Abfindungsbetrages eine abschließende Regelung ihres Unterhaltsrechtsverhältnisses herbeiführen wollen, auch wenn der Betrag in künftigen Raten zu zahlen ist. Haben die Beteiligten in einem Scheidungsfolgenvergleich die Zahlung eines unbefristeten Ehegattenunterhalts vereinbart, kann sich der Unterhaltspflichtige somit nicht auf eine Störung der Geschäftsgrundlage durch spätere Änderungen der Rechtslage wie z.B. Änderung der Senatsrechtsprechung zur Bedeutung der Ehedauer im Rahmen von Billigkeitsentscheidungen nach § 1573 Abs. 5 BGB a.F. berufen, wenn die Beteiligten in der Ausgangsvereinbarung auf das Recht zur Abänderung des Vergleichs ausdrücklich verzichtet haben. Für eine einschränkende Auslegung dahingehend, dass die von den Beteiligten getroffene Regelung – noch verstärkt durch den "Verzicht" auf das "Recht zur Abänderung" der Unterhaltsvereinbarung im Übrigen – nicht solche Störungen ergreift, die sich erst aus der nachträglichen Änderung der gesetzlichen Grundlagen oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergeben, gibt der Wortlaut der Vereinbarung keinen Anhalt.
Rz. 346
Ist in einem pauschalen Unterhaltsvergleich keine Geschäftsgrundlage niedergelegt, kann dies für einen Ausschluss der Anpassung an die abweichenden tatsächlichen Verhältnisse bei Vertragsschluss sprechen; die Abänderbarkeit wegen Änderung der Geschäftsgrundlage durch geänderte tatsächliche Verhältnisse seit Vertragsschluss oder durch eine Änderung des Gesetzes oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist dadurch aber regelmäßig nicht ausgeschlossen.
Rz. 347
Praxistipp
Um über diese Frage erst gar keine Zweifel aufkommen zu lassen, sollte – falls eine Abänderungsmöglichkeit offengelassen werden soll – bei Abschluss eines Vergleichs akribisch auf die Aufnahme der Vergleichsgrundlagen geachtet werden. Hier empfiehlt sich ggfs. auch die Bezugnahme auf eine "Gutdeutsch"-Berechnung des Familiengerichts oder einer der Beteiligten.
Rz. 348
Beruht die Erstellung einer vollstreckbaren Jugendamtsurkunde auf einer Unterhaltsvereinbarung der Beteiligten, sind diese an den Inhalt der Vereinbarung materi...