Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 236
Das Verhältnis des Abänderungsantrags nach § 238 FamFG zum Vollstreckungsabwehrantrag nach § 767 ZPO ist problematisch. Die Abgrenzung ist nicht immer eindeutig zu vollziehen, jedoch aus praktischen Gründen geboten. Da beide Verfahren mit unterschiedlichen Mitteln unterschiedliche Ziele verfolgen, schließen sich der Abänderungsantrag und der Vollstreckungsabwehrantrag grundsätzlich gegenseitig aus.
Der Vollstreckungsabwehrantrag wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus dem jeweiligen Unterhaltstitel. Voraussetzung ist das Vorliegen einer rechtsvernichtenden Einwendung oder einer rechtshemmenden Einrede. Ziel ist, dass die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt wird. Dies ist der Fall, wenn der titulierte Anspruch bereits wegen materiell-rechtlicher Einwendungen oder Einreden inzwischen erloschen oder gehemmt ist. Dieser Antrag kann deshalb nur vom Unterhaltsverpflichteten gestellt werden. Es handelt sich um einen Gestaltungsantrag, bei der darauf ergehenden Entscheidung um eine Gestaltungsentscheidung.
Rz. 237
Entscheidend für die Abgrenzung ist somit die Art der Einwendung.
Der Vollstreckungsabwehrantrag betrifft alle punktuellen Gründe, welche den Anspruch mit unmittelbarer Wirkung und unabhängig von seiner Abänderbarkeit gemindert bzw. vernichtet haben.
Nach der gängigen Rechtsprechung zählen hierzu insbesondere
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der Schulderlass, Verzicht oder Vollstreckungsverzicht; |
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die Stundung, Verjährung und Verwirkung; |
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der Wegfall des Anspruchs auf Getrenntlebensunterhalt, wenn nach Rechtskraft der |
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Ehescheidung die Zwangsvollstreckung fortgesetzt wird; |
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die Wiederverheiratung und Begründung einer Lebenspartnerschaft nach § 1586 BGB; |
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der Eintritt der Volljährigkeit des Kindes oder die Änderung der elterlichen Sorge, wenn |
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trotz Wegfalls der elterlichen Verfahrensstandschaft weiter vollstreckt wird; |
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die fehlende Vollstreckbarkeit des Titels wegen unbestimmter Anrechnungsklausel; |
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die Erfüllung (Tilgung) oder entsprechende Erfüllungssurrogate; |
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der Einwand des Nichtbestehens der Vaterschaft nach § 1599 BGB durch den Scheinvater. |
Rz. 238
Die zeitliche Begrenzung des Unterhalts nach § 1578b BGB ist dagegen nicht zu § 767 ZPO, sondern zu § 238 FamFG zu rechnen, weil es sich nicht um eine rechtsvernichtende Einwendung handelt. Im Gegensatz zum Verfahren nach § 767 ZPO, in welchem lediglich eine in zeitlicher und sachlicher Hinsicht punktuelle Prüfung erfolgt, erfordert die Unterhaltsbestimmung unter Berücksichtigung des § 1578b BGB eine umfassende Würdigung der gegebenen Verhältnisse und ihrer voraussichtlichen künftigen Entwicklung. Ebenso ist ein Abänderungsantrag nach § 238 FamFG zu erheben, wenn ein zwischenzeitlich eingetretener Rentenbezug beim Unterhaltsberechtigten dessen Bedürftigkeit mindert. Auch hier wäre es unbillig, die eingetretene Änderung in einem Verfahren abzuhandeln, in dem nicht über den Unterhaltsanspruch selbst, sondern lediglich über die begehrte Erklärung der Zwangsvollstreckung als unzulässig entschieden wird.
Nach § 238 Abs. 3 S. 1 FamFG ist die Abänderung zulässig für die Zeit ab Rechtshängigkeit des Antrags. Führen nachträgliche Rentenzahlungen an den Unterhaltsberechtigten dazu, dass es zu einer Überzahlung für einen vor Rechtshängigkeit liegenden Zeitraum gekommen ist, kommt ein auf § 242 BGB beruhender Erstattungsanspruch in Betracht. Dessen Höhe bemisst sich danach, inwieweit sich der Unterhaltsanspruch reduziert hätte, wenn die Rente schon während des betroffenen Zeitraums gezahlt worden wäre.
Rz. 239
Bei der Verwirkung nach §§ 1611, 1579 BGB hat der BGH sowohl den Vollstreckungsabwehrantrag als auch einen Abänderungsantrag für zulässig erachtet. Grundsätzlich ist die Verwirkung eine rechtsvernichtende Einwendung, weshalb stets der Anwendungsbereich des Vollstreckungsabwehrantrags nach § 120 Abs. 1 FamFG, § 767 ZPO eröffnet ist. Da bei der zu treffenden Entscheidung auch die Auswirkung der stets wandelbaren wirtschaftlichen Verhältnisse auf die Unterhaltsverpflichtung zu berücksichtigen sein kann, besteht für diesen Fall auch eine Abänderungsmöglichkeit nach den §§ 238, 239 und 240 FamFG.
Werden beide Anträge kumulativ erhoben, handelt es sich um eine objektive Antragshäufung nach § 260 ZPO.
Rz. 240
Zulässigkeitsvoraussetzung ist somit die gleiche Zuständigkeit des angegangenen Gerichts. Diese richtet sich beim Vollstreckungsabwehrantrag nach § 120 Abs. 1 FamFG, § 767 Abs. 1, 802 ZPO. Ausschließlich zuständig ist das Verfahrensgericht des ersten Rechtszuges.
Dagegen knüpft die Zuständigkeit beim Abänderungsantrag nach § 232 Abs. 3 FamFG i.V.m. §§ 12, 13 ZPO an den allgemeinen Gerichtsstand des Antragsgegners an, soweit keine ausschließliche Zuständigkeit nach § 232 Abs. 1 FamFG gegeben ist. Hat sich z.B. der gewöhnliche Aufenthalt des Antragsgegners nach abgeschlossenem Erstverfahren geändert, ist eine Antragshäufung mangels gemeinsamer örtlicher Zuständigkeit nicht möglich.
Rz. 241
Im Hinblic...