Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 182
Falls der Staat Sozialleistungen erbringt, geht der gesetzliche Unterhaltsanspruch des Unterhaltsgläubigers gegen den Unterhaltspflichtigen auf den Staat über (cessio legis).
Der gesetzliche Forderungsübergang hat zur Folge, dass die betreffende Unterhaltsforderung dem Unterhaltsgläubiger materiell-rechtlich nicht mehr zusteht und ihm deshalb die Sachbefugnis (Aktivlegitimation) nach materiellem Recht sowie die Verfahrensführungsbefugnis fehlen, sodass ein gleichwohl erhobener Unterhaltsantrag unzulässig ist.
Die Aktivlegitimation zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen ist im Fall unterstützender staatlicher Leistungen nur eingeschränkt gegeben. Letztlich ist wie folgt zu differenzieren:
aa) Künftiger Unterhalt
Rz. 183
Zukünftiger Unterhalt ab dem auf die letzte mündliche Verhandlung folgenden Monatsersten steht dem Hilfeempfänger als (zukünftiges) eigenes Recht zu, zu dessen Geltendmachung mittels gerichtlichen Unterhaltsantrags er mangels Forderungsübergangs auch berechtigt ist (eigene Verfahrensführungsbefugnis). Jedoch kann der Sozialleistungsträger – falls er für die Vergangenheit aus übergegangenem Recht gerichtlich Unterhalt fordert – im Wege gewillkürter Verfahrensstandschaft auch künftigen Unterhalt beantragen; dazu ist allerdings die Abtretung dieser Ansprüche an den Träger der Sozialhilfe erforderlich.
Rz. 184
Allerdings ist neben dem Unterhaltsgläubiger u.U. auch der Sozialhilfeträger aktivlegitimiert. Dies sieht § 94 Abs. 4 S. 2 SGB XII ausdrücklich vor:
Wenn die Leistung voraussichtlich auf längere Zeit erbracht werden muss, kann der Träger der Sozialhilfe bis zur Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen auch auf künftige Leistungen klagen.
Rz. 185
Erhält der Unterhaltsberechtigte Bürgergeld, ist die entsprechende Aktivlegitimation § 33 Abs. 3 S. 2 SGB II zu entnehmen:
Wenn die Leistung voraussichtlich auf längere Zeit erbracht werden muss, können die Träger der Leistungen nach diesem Buch bis zur Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen auch auf künftige Leistungen klagen.
Rz. 186
Auch im Fall der Leistungen nach dem UntVorschG ist das Land neben dem Unterhaltsgläubiger aktivlegitimiert, die künftigen Leistungen dem Unterhaltsschuldner gegenüber gerichtlich geltend zu machen. Dies sieht § 7 Abs. 4 S. 1 UnterhVG ausdrücklich vor:
Wenn die Unterhaltsleistung voraussichtlich auf längere Zeit gewährt werden muss, kann das Land bis zur Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen auch auf künftige Leistungen klagen.
Der Unterhaltsanspruch geht selbst dann auf die Unterhaltsvorschusskasse über, wenn die Unterhaltsleistung rechtswidrig sein sollte. Die Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung ist keine Voraussetzung für den Anspruchsübergang. Der unterhaltsverpflichtete andere Elternteil erleidet keinen Rechtsnachteil, wenn er nach einer rechtswidrigen Vorschussleistung in Anspruch genommen wird, da er nur das zu zahlen hat, was er materiell-rechtlich schuldet.
Das BAföG sieht hingegen keine Möglichkeit vor, auf künftige Leistungen zuzugreifen.
bb) Unterhaltsansprüche ab Rechtshängigkeit
Rz. 187
Gesetzlich übergegangener Unterhalt zwischen Rechtshängigkeit des gerichtlichen Unterhaltsantrags und dem auf die letzte mündliche Verhandlung folgenden Monatsletzten ist wie folgt abzuwickeln: Für diesen Anspruch hat der Hilfeempfänger zwar keine Sachbefugnis (keine Aktivlegitimation), er darf diese Ansprüche aber im Unterhaltsverfahren gleichwohl weiterhin geltend machen (§ 265 Abs. 2 S. 1 ZPO: Fall der gesetzlichen Verfahrensstandschaft).
Jedoch ist der fehlenden Sachbefugnis dadurch Rechnung zu tragen, dass der Unterhaltsantrag i.H.d. übergegangenen Anspruchs umzustellen ist auf Zahlung dieser Beträge an den Staat.
cc) Unterhaltsansprüche vor Rechtshängigkeit
Rz. 188
Für diese Ansprüche fehlt dem Leistungsempfänger sowohl die materielle Sachbefugnis als auch die Verfahrensführungsbefugnis.
Allerdings ist die Rückabtretung an den Hilfeempfänger ausdrücklich gestattet. Nach § 94 Abs. 5 S. 1 SGB XII kann nämlich der Träger der Sozialhilfe den auf ihn übergegangenen Unterhaltsanspruch im Einvernehmen mit der leistungsberechtigten Person auf diese zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen und sich den geltend gemachten Unterhaltsanspruch abtreten lassen. Davon wird in der Praxis überwiegend auch Gebrauch gemacht, um Doppelverfahren zu vermeiden.
Rz. 189
Praxistipp
Streitig war in diesem Fall der rückübertragenen Unterhaltsansprüche, ob der Hilfeempfänger nach § 115 ZPO bedürftig ist und deshalb VKH beanspruchen kann, obwohl ihm vom Sozialhilfeträger gem. § 94 Abs. 5 S. 2 SGB XII die anfallenden Kosten zu erstatten sind.
Der BGH hat diese Streitfrage negativ entschieden. Der Leistungsberechtigte ist im Hinblick auf § 94 Abs. 5 S. 2 SGB XII für die gerichtliche Geltendmachung der von einem Sozialhilfeträger rückübertragenen Unterhaltsansprüche grds. nicht bedürftig i.S.d. § 115 ZPO, da ihm ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss gegen den Sozialhilfeträger zusteht. Der Anspruch auf Kostenübernahme gewährleistet, dass dem Leistungsberechtigten durch die Rückübertra...