Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
I. Grundlagen des Verbunds
Rz. 192
Mit Eintritt des Verbunds einer Folgesache mit dem Scheidungsantrag ist nach § 137 Abs. 1 FamFG über alle verbundenen Verfahren gleichzeitig und zusammen mit der Scheidung zu verhandeln und, sofern der Scheidungsantrag begründet ist, zu entscheiden (sog. Verhandlungs- und Entscheidungsverbund). Diese Bestimmung schließt es aber nicht aus, dass über einzelne Folgesachen umfangreiche Erörterungen zur Sache und die Beweisaufnahme in einem besonderen Termin durchgeführt werden. Dies kann eine unterhaltsrechtliche Auseinandersetzung der Eheleute betreffen, insbesondere wenn bei umfangreichen Beweiserhebungen Gegenstand und Umfang eines einzuholenden Sachverständigengutachtens von der Vernehmung von Zeugen abhängig ist.
Rz. 193
§ 142 Abs. 1 FamFG konkretisiert den Grundsatz des Verfahrens- und Entscheidungsverbunds nach § 137 FamFG hinsichtlich der zu treffenden Entscheidung. Die Regelung bestimmt in Abs. 1 S. 1, dass bei begründetem Scheidungsantrag alle im Verbund eingeleiteten Folgesachen gemeinsam mit der Scheidungssache und einheitlich durch Beschluss zu entscheiden sind.
Ein Zwang, Folgesachen im Verbund geltend zu machen, besteht – mit Ausnahme des Versorgungsausgleichs – nicht. Auch kann für eine Folgesache nicht Verfahrenskostenhilfe verweigert werden, wenn diese außerhalb des Verbunds geltend gemacht wird.
II. Verbundvoraussetzungen für einen Antrag
Rz. 194
Die Einleitung des Scheidungsverbunds setzt einen entsprechenden Antrag voraus; erforderlich ist, dass bei einem anhängigen Scheidungsantrag eine isolierte verbundfähige Familiensache anhängig gemacht wird, für die eine Entscheidung für den Fall der Scheidung begehrt wird.
Folgender Antrag ist ausreichend:
Muster 8.5: Einleitung des Scheidungsverbunds
Muster 8.5: Einleitung des Scheidungsverbunds
Der Antragsgegner wird verpflichtet, von der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses an, an die Antragstellerin ab dem 01._________________________ 20_________________________, jeweils monatlich im Voraus, spätestens bis zum dritten Werktag des jeweiligen Monats einen Unterhalt in Höhe von _________________________ EUR zu zahlen.
Rz. 195
Ein Antrag betreffend eine gewillkürte Folgesache (z.B. nachehelicher Unterhalt) kann frühestens zusammen mit dem Scheidungsantrag eingereicht werden und muss spätestens zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug in der Scheidungssache von einem Ehegatten anhängig gemacht worden sein, vgl. § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG a.E.
Der Gesetzgeber bezweckt mit der Einhaltung dieser 2-Wochen-Frist eine Beschleunigung des Scheidungsverfahrens; eine entscheidungsreife Scheidung konnte früher dadurch "torpediert" werden, in dem in der mündlichen Verhandlung eine den Verbund auslösende Folgesache anhängig gemacht wurde.
1. Fristberechnung
Rz. 196
Die 2-Wochen-Frist ist bereits schwierig zu berechnen. Erforderlich ist eine "Rückwärtsrechnung" entsprechend der §§ 187–193 BGB. Der Tag der mündlichen Verhandlung zählt bei der Rückwärtsberechnung nach § 187 Abs. 1 BGB nicht mit; der letzte Tag der Frist endet weiterhin nicht erst um 24:00 Uhr, sondern bereits um 0:00 Uhr. Dies bedeutet beispielsweise, dass im Falle einer Terminierung für den 20.8. eines Jahres (ohne Berücksichtigung von Wochenenden bzw. Feiertagen) die betreffende 2-Wochen-Frist am 19.8. rückwärts anläuft und durch den 6.8. um 0:00 Uhr begrenzt wird. Ein fristgerechter Folgesachenantrag muss daher bis spätestens 5.8. 24:00 Uhr beim Familiengericht eingehen.
Rz. 197
Der BGH formuliert dies aktuell wie folgt:
Zitat
"Die Zwei-Wochen-Frist gem. § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG ist gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG nach den Allgemeinen Vorschriften der ZPO, mithin gem. § 222 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB zu berechnen. Diese Regelungen sind auf rückwärts zu rechnende Fristen entsprechend anzuwenden (…). Der Termin zur mündlichen Verhandlung führt zu einem rückwärtsgerichteten Beginn der Frist gem. § 187 Abs. 1 BGB und endet daher um 00.00 Uhr des seiner Benennung entsprechenden Wochentags. Vom Terminstag (Donnerstag, 20.1.2011) zurückgerechnet, hätte der Schriftsatz in der Folgesache Güterrecht somit zur Wahrung der Frist vor dem 6.1.2011 (00.00 Uhr), mithin noch am Mittwoch, dem 5.1.2011 beim FamG eingehen müssen (…)."
Rz. 198
Die Frist des § 137 Abs. 2 FamFG wird durch einen Antrag auf VKH für einen Folgesachenantrag gewahrt. Insoweit gilt das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung bedürftiger und nicht bedürftiger Beteiligter. Würde die Einreichung eines Verfahrenskostenhilfeantrags vor Ablauf der Frist des § 137 Abs. 2 nicht ausreichen, um das Begehren im Verbund mit der Ehesache geltend machen zu können, würde die bedürftige Partei erheblich schlechter gestellt als die nicht bedürftige. Denn sie wäre gehalten, ihren Antrag weit vorher zu stellen, um eine Entscheidung des Gerichts über den Verfahrenskostenhilfeantrag zu bewirken, wobei dieses seinerseits in der Lage wäre, die Herstellung des Verbundes durch schnellere oder weniger zügige Erledigung zu steuern. Da es aber keinen sachlichen Grund ...