Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 214
Der Scheidungsverbund kann einzelne Folgesachen enthalten, die sehr umfangreich und deshalb langwierig sind. Dennoch kann eine Scheidung grundsätzlich erst erfolgen, wenn alle Folgesachen entscheidungsreif sind, es sei denn, eine Abtrennung nach § 140 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 FamFG ist möglich. Dies setzt eine außergewöhnliche Verzögerung des Scheidungsausspruchs und eine sich daraus ergebende unzumutbare Härte voraus. Durch das bei dieser Vorschrift erforderliche Antragserfordernis wird eine Abtrennung von Amts wegen ausgeschlossen.
Rz. 215
Eine außergewöhnliche Verzögerung im Sinne von § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG ist zu bejahen, wenn die bei Durchführung der Folgesachen üblicherweise auftretende Verfahrensdauer weit reichend überschritten wird. Die Verzögerung muss nicht bereits eingetreten sein; die Beurteilung lässt entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift auch eine Prognose des weiteren Verfahrensablaufs zu. Die Rechtsprechung sieht eine Verfahrensdauer von zwei Jahren als normal für ein Scheidungsverfahren an, d.h. erst nach Ablauf von zwei Jahren ist die Annahme einer außergewöhnlichen Verzögerung möglich.
Praxistipp
Das OLG Hamm hat sich damit auseinandergesetzt, welcher Maßstab für eine durchschnittliche Verfahrensdauer eines Scheidungsverfahrens anzusetzen ist.
Der BGH hatte sich vor Jahren auf einen Zeitraum von zwei Jahren eingelassen.
Nunmehr gibt es auch empirische Werte des statistischen Bundesamts. Nach diesen beträgt der Bundesdurchschnitt für ein Scheidungsverfahren 10 Monate, 10,3 Monate im Landesdurchschnitt NRW bzw. 9,6 Monate der Durchschnitt im Bezirk des OLG Hamm.
Eine außergewöhnliche Verzögerung kann in Unterhaltssachen auf die Einholung von Sachverständigengutachten (z.B. wegen Klärung einer Krankheit oder relevanter Einkünfte bei einem Selbstständigen) oder bei mehrfachen gerichtlichen Maßnahmen zur Auskunftserlangung (§§ 1379, 1580, 1605 BGB) zurückzuführen sein.
Das Vorliegen einer außergewöhnlichen Verzögerung reicht nicht aus, um eine Abtrennung einer Folgesache nach § 140 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 FamFG zu rechtfertigen; erforderlich ist vielmehr darüber hinaus eine für den Antragsteller unzumutbare Härte. Die Feststellung der unzumutbaren Härte erfolgt mittels einer Abwägung des Interesses des Antragstellers (entsprechend des Antragsgegners, wenn dieser den Abtrennungsantrag gestellt hat) an einer alsbaldigen Scheidung und des Interesses des Antragsgegners an einer Beibehaltung des Entscheidungsverbunds, d.h. einer gleichzeitigen Regelung der abzutrennenden Folgesachen.
Rz. 216
Im Rahmen der Abwägung der Interessen ist eine obstruktive Verfahrensverzögerung eines Beteiligten zu berücksichtigen. Eine obstruktive Verfahrensverzögerung ist anzunehmen, wenn der Gegner seit einem nennenswerten Zeitraum eine Mitwirkung unterlässt oder der Gegner den Wunsch des die Scheidung Begehrenden durch eine zögerliche Verfahrensführung hintertreibt.
Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers ist zu bejahen bei begrenzter Lebenserwartung des antragstellenden Ehegatten, der eine Wiederheirat beabsichtigt. Ähnlich liegt es bei bevorstehender Geburt eines Kindes aus einer neuen Beziehung, insbesondere wenn gleichzeitig die wirtschaftliche Lage des anderen Ehegatten abgesichert ist und für das Beibehalten des Verbundes nur formale Gesichtspunkte vorgebracht werden. In jedem Fall sind aber auch die Gründe des Beteiligten, der sich einer Abtrennung widersetzt, zu berücksichtigen. Ist eine Folgesache für diesen Beteiligten von besonderer Bedeutung – diese Annahme ist in der Regel bei nachehelichem Unterhalt zu rechtfertigen –, so wird eine Abtrennung nur im Ausnahmefall zuzulassen sein. Umgekehrt kann aber auch die Zustimmung zur Abtrennung des Antragsgegners im Rahmen der Abtrennungsentscheidung zu berücksichtigen sein. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Abtrennung keinesfalls dispositiv ist, d.h. eine Abtrennung aufgrund einer Einigung der Beteiligten ist mit der zwingenden Regelung des § 137 Abs. 1 FamFG nicht zu vereinbaren.