Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 298
Die Veränderung der rechtlichen Verhältnisse stellt nach der ausdrücklichen Formulierung des § 238 Abs. 1 S. 2 FamFG einen Abänderungsgrund dar. Der im vorausgegangenen Verfahren getroffenen Entscheidung liegt schließlich die jeweils geltende aktuelle Gesetzeslage zugrunde; ändert sich diese, kann gegen die ergangene Entscheidung ein Abänderungsantrag gestellt werden.
Eine solche Gesetzesänderung stellt z.B. die ab Inkrafttreten der Unterhaltsreform zum 1.1.2008 geltende neue Rechtslage dar.
Rz. 299
Bei § 36 EGZPO handelt es sich dagegen nach der Gesetzesbegründung des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes vom 21.12.2007 nicht um einen eigenen, neu geschaffenen Abänderungsrechtsbehelf. § 36 Nr. 1, 2 EGZPO stellt – neben dem einschränkenden Kriterium der Zumutbarkeit einer Abänderung – somit lediglich klar, dass die Gesetzesänderung ein Abänderungsgrund im Sinne von § 238 FamFG ist, soweit sie zu einer Änderung der wesentlichen Verhältnisse führt. In der Sache ist eine Anpassung von bestehenden Titeln und Unterhaltsvereinbarungen danach nur möglich, wenn eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung eintritt und darüber hinaus die Änderung dem anderen unter besonderer Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar ist. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es sich bei § 36 Nr. 1 EGZPO nicht um einen eigenständigen Abänderungsrechtsbehelf handelt, sondern dass der Gesetzgeber mit dieser Norm lediglich Vorgaben für die Maßstäbe gemacht hat, anhand derer die Anpassung bestehender Regelungen an das neue Recht zu erfolgen haben. Weiter gilt zu beachten, dass die Prüfung der Zumutbarkeit im Sinne des § 36 Nr. 1 EGZPO der Rechtsprechung des BGH zufolge nicht gesondert zu erfolgen hat, sondern in dem insoweit umfassenderen Tatbestand des § 1578b BGB aufgeht und ihr dort in vollem Umfang Rechnung zu tragen ist. Die Regelung dient neben dem Vertrauensschutz auch der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden, wobei das Erfordernis einer wesentlichen Änderung Gewähr dafür bietet, dass es als Folge der Einführung neuer Unterhaltsregelungen nicht zu einer Flut von Abänderungsverfahren kommt.
Rz. 300
Allein auf die zum 1.3.2013 erfolgte Neufassung des § 1578b Abs. 1 BGB als wesentliche rechtliche Veränderung kann eine Abänderung nicht gestützt werden.
Dies begründet der BGH damit, dass bei § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB lediglich das Tatbestandsmerkmal der Ehedauer als weiterer konkret benannter Billigkeitsmaßstab neben das Bestehen ehebedingter Nachteile getreten ist. Demgegenüber ist der Begriff der "Dauer der Ehe" bei der beispielhaften Aufzählung der Gründe für das Entstehen ehebedingter Nachteile i.R.d. § 1578b Abs. 1 Satz 3 BGB gestrichen worden, da es einer zusätzlichen Erwähnung der Ehedauer in diesem Zusammenhang nicht mehr bedurfte. In der Gesetzesbegründung wird dazu ausdrücklich hervorgehoben, dass die tatbestandliche Neufassung des § 1578b Abs. 1 BGB eine (lediglich) klarstellende Funktion erfüllt, um einer – dem Willen des Gesetzgebers der Unterhaltsrechtsreform 2008 nicht entsprechenden und auch vom BGH missbilligten – Praxis entgegenzuwirken, beim Fehlen ehebedingter Nachteile automatisch zu einer Begrenzung des Unterhaltsanspruches zu gelangen, ohne bei der Billigkeitsabwägung die sonstigen Umstände des Einzelfalls, darunter insbesondere die lange Ehedauer, zu berücksichtigen. Aus der Begründung des Gesetzes ergebe sich demgegenüber nicht, dass dem Begriff der "Dauer der Ehe" durch die Aufnahme als selbstständiges Billigkeitskriterium in § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB ein anderer Inhalt hätte verliehen werden sollen und der Gesetzgeber den Begriff der Ehedauer abweichend von der – in der Gesetzesbegründung ausdrücklich in Bezug genommenen – Senatsrechtsprechung zur Berücksichtigung der Ehedauer im Rahmen der nachehelichen Solidarität interpretieren wollte.
Rz. 301
Die einer Änderung der Gesetzeslage gleichkommende verfassungskonforme Auslegung einer Norm durch das Bundesverfassungsgericht erlaubt eine Abänderung sowohl bei Beschlüssen als auch bei Vergleichen. Selbiges gilt, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Norm für nichtig oder für verfassungswidrig erklärt.
Als wichtiges Beispiel ist hier die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25.1.2011 zu nennen. Darin wird klargestellt, dass die vom BGH entwickelte Rechtsprechung zu den "wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen" unter Anwendung der Berechnungsmethode der sogenannten "Dreiteilung" sich von dem Konzept des Gesetzgebers zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts löst und es durch ein eigenes Modell ersetzt. Dieser Systemwechsel überschreitet nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung und verletzt Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG. Demnach ist die "Dreiteilungsmethode" verfassungswidrig, solange der Gesetzgeber dafür nicht eine gesetzliche Grundlage schafft.
Rz. 302