Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 111
Nach § 235 Abs. 2 FamFG muss das Gericht nach Abs. 1 vorgehen, wenn ein Beteiligter dies beantragt und der andere Beteiligte vor Beginn des Verfahrens einer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts bestehenden Auskunftspflicht entgegen einer Aufforderung innerhalb angemessener Frist nicht nachgekommen ist.
Für diese Regelung war das Bestreben maßgebend, die zeitaufwendigen Stufenklagen möglichst weitgehend entbehrlich zu machen. Hierzu muss ein aus der Sicht des Beteiligten, der zur Berechnung des Unterhalts Informationen von der Gegenseite benötigt, effektiver Mechanismus vorgehalten werden. Angesichts der oftmals existenziellen Bedeutung von Unterhaltsleistungen für den Berechtigten und angesichts dessen, dass ungenügende Unterhaltszahlungen zu einem erhöhten Bedarf an öffentlichen Leistungen führen könnten, besteht über das private Interesse des Unterhaltsgläubigers hinaus auch ein öffentliches Interesse an einer sachlich richtigen Entscheidung in Unterhaltsangelegenheiten.
Rz. 112
Inhaltliche Voraussetzungen für eine Verpflichtung des Gerichts sind, dass ein Beteiligter einen entsprechenden Antrag stellt und der andere Beteiligte vor Beginn des Verfahrens einer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts bestehenden Auskunftspflicht entgegen einer Aufforderung innerhalb angemessener Frist nicht nachgekommen ist. Auf diese Weise wird für den Auskunftsberechtigten ein zusätzlicher Anreiz geschaffen, um die benötigten Informationen von der Gegenseite zunächst außergerichtlich zu erhalten.
Rz. 113
Voraussetzung der Zulässigkeit eines Antrags gem. § 235 Abs. 2 FamFG ist, dass ein rechtlich geschütztes Interesse an der begehrten Verfahrenshandlung besteht.
Hat sich der Antragsteller für das Stufenantragsverfahren entschieden und bereits einen vollstreckbaren Titel zur Auskunftsstufe erlangt, so besteht für ein Vorgehen gem. § 235 Abs. 2 FamFG kein Rechtsschutzbedürfnis. Dies gilt erst recht, wenn der Antragsgegner seine Auskunftspflicht anerkannt oder sich durch vollstreckbaren Vergleich zur Auskunft verpflichtet hat.
Der Verfahrensantrag nach § 235 Abs. 2 FamFG unterliegt dem Anwaltszwang nach § 114 Abs. 1 FamFG.
Rz. 114
Hinweis
Um das Gericht zu einer Entscheidung nach § 235 Abs. 2 FamFG zu "zwingen", ist eine sorgfältige Vorbereitung für den unterhaltsbegehrenden Antragsteller vor Einleitung des Verfahrens notwendig. Der Unterhaltsschuldner muss entsprechend den zivilrechtlichen Vorschriften (§§ 1605, 1580, 1615l Abs. 3, 1361 Abs. 4 S. 4, 1360a Abs. 3 BGB) aufgefordert werden, in angemessener Frist Auskunft über sein Einkommen zu erteilen und bestimmte Belege vorzulegen. Während bei einem Nicht-Selbstständigen eine Frist von etwa drei bis vier Wochen angemessen ist, billigt die Rechtsprechung bei Selbstständigen Fristen zur Auskunftserteilung bis zu sechs Monaten zu.