Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
I. Statthaftigkeit der Beschwerde
Rz. 442
Die Beschwerde ist nach § 58 Abs. 1 FamFG gegen Endentscheidungen statthaft. Dies ist gemäß der Legaldefinition in § 38 FamFG die Entscheidung, die über den Verfahrensgegenstand in der Instanz ganz oder teilweise abschließend entscheidet. Die Beschwerde ist damit das Hauptsacherechtsmittel des FamFG (gegen Unterhaltsbeschlüsse). Nicht möglich ist es hingegen, gegen einen Beschluss im einstweiligen Unterhaltsanordnungsverfahren Beschwerde einzulegen; zwar ist auch dieser Beschluss eine Endentscheidung im Sinne von § 58 Abs. 1 FamFG, jedoch ist dessen Anfechtbarkeit durch die Sonderregelung des § 57 FamFG ausgeschlossen.
II. Beschwerdewert
Rz. 443
Die Beschwerde gegen Entscheidungen in Unterhaltssachen ist nach § 61 Abs. 1 FamFG nur zulässig ist, wenn der Beschwerdegegenstand 600 EUR übersteigt. Das Gesetz beschränkt dadurch bei Streitigkeiten mit geringer wirtschaftlicher Bedeutung den Rechtsweg auf eine Instanz.
Hinweis
Der Beschwerdewert bemisst sich in Unterhaltssachen nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 9 S. 1 ZPO. Dies bedeutet, dass der 3,5-fache Wert des einjährigen Bezuges maßgeblich ist. Wurde etwa eine Unterhaltsrente von 250 EUR beantragt und hat der Antragsteller nur 230 EUR zugesprochen bekommen, so beträgt der Beschwerdewert 840 EUR (20 EUR x 12 = 240 EUR x 3,5 = 840 EUR).
Sobald eine Unterhaltsdifferenz von 15 EUR (genau 14,29 EUR) mit der Beschwerde angegriffen wird, ist der Beschwerdewert von 600,01 EUR schon erreicht. Unterhaltsrückstände, die nicht zugesprochen wurden, können den Beschwerdewert zusätzlich noch erhöhen.
Allerdings kann die Beschwerde in vermögensrechtlichen FamFG-Sachen bei grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache auch zugelassen werden (Zulassungsbeschwerde, vgl. § 61 Abs. 2, Abs. 3 FamFG), wenn eine Wertbeschwerde nicht statthaft ist.
III. Die Einlegung der Beschwerde, §§ 63, 64 FamFG
Rz. 444
Die Beschwerde ist frist- und formgerecht gem. §§ 63, 64 FamFG zu erheben.
1. Beschwerde beim Ausgangsgericht einlegen
Rz. 445
Die Beschwerde kann wirksam nur bei dem Gericht eingelegt werden, dessen Entscheidung angefochten wird, vgl. § 64 Abs. 1 FamFG. Es ist nicht möglich bei dem Beschwerdegericht selbst Beschwerde einzulegen. Die Beschwerde darf auch keinesfalls "bedingt" eingelegt werden, etwa durch VKH-Bewilligung. Dies ist unzulässig.
Eine Auslegung dahin, dass ein Schriftsatz nicht unbedingt als Rechtsmittel oder Rechtsmittelbegründung bestimmt ist, kommt aber nur in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt. Der Rechtsmittelführer wird nämlich eher das Kostenrisiko auf sich nehmen wollen, als von vornherein zu riskieren, dass sein Rechtsmittel als unzulässig verworfen wird.
Rz. 446
Hinweis
Zulässig ist auch die Einreichung eines VKH-Antrages für ein beabsichtigtes Rechtsmittel. Wird dann VKH bewilligt, muss Wiedereinsetzung beantragt werden, d.h. das Rechtsmittel ist dann in der Wiedereinsetzungsfrist einzulegen.
"Eine arme Partei, die ein Rechtsmittel einlegen will, hat grundsätzlich Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn sie ihr Prozesskostenhilfegesuch bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eingereicht hatte (st. Rspr.). Das setzt allerdings voraus, dass dem Antrag auf Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Rechtsmittelverfahrens innerhalb der Rechtsmittelfrist neben der ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch die insoweit notwendigen Belege beigefügt waren. Denn für den Regelfall schreibt § 117 Abs. 4 ZPO zwingend vor, dass sich der Antragsteller zur Darlegung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des durch die Verordnung vom 17.10.1994 (…) eingeführten Vordrucks bedienen muss. Der Antragsteller kann deswegen grundsätzlich nur dann davon ausgehen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe dargetan zu haben, wenn er rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist einen ordnungsgemäß ausgefüllten Vordruck nebst den erforderlichen Anlagen zu den Akten reicht (…)."
Rz. 447
Eine Einlegung der Beschwerde beim Rechtsmittelgericht ist nicht zulässig, wahrt insbesondere nicht die Rechtsmittelfrist. Allerdings ist das Beschwerdegericht gehalten, die Beschwerde im ordentlichen Geschäftsgang an das Ausgangsgericht weiterzuleiten. Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Gericht) können vom unzuständigen Gericht freilich nicht verlangt werden.
Rz. 448
Praxistipp zu VKH
Der VKH-Antrag für ein erstinstanzliches Verfahren ist beim Amtsgericht – Familiengericht zu stellen, vgl. § 64 Abs. 1 S. 2 FamFG.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist nach Bescheidung des VKH-Antrags innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 ZPO) beim Beschwerdegericht einzureichen. Innerhalb der W...