Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 101
Der Gesetzgeber hat im Rahmen des FamFG mit den verfahrensrechtlichen Auskunftspflichten nach §§ 235 und 236 FamFG ein zusätzliches Regelungselement für das streitige Unterhaltsverfahren geschaffen, um dieses zu beschleunigen und zu fördern. Zwar bestand schon nach § 643 ZPO a.F. die Möglichkeit einer Auskunftseinholung durch das Gericht. Jedoch stand diese im Ermessen des Gerichts. Nunmehr muss das Gericht entsprechende Anordnungen treffen, wenn ein Beteiligter dies beantragt und der andere Beteiligte trotz Aufforderung seiner unterhaltsrechtlichen Auskunftspflicht nicht nachgekommen ist, § 235 Abs. 2 FamFG. Dies führt zu keiner Durchbrechung des Prinzips der Dispositionsmaxime in Unterhaltssachen. Vielmehr ermöglicht es § 235 Abs. 2 BGB, einen substantiiert dargelegten Unterhaltsanspruch der materiellen Richtigkeit zuzuführen.
In § 235 Abs. 3 FamFG wurde eine Verpflichtung der Beteiligten zur unaufgeforderten Information über eine wesentliche Veränderung der maßgeblichen Umstände während des laufenden Verfahrens eingeführt. Die vorher in § 643 ZPO a.F. geregelte Auskunftspflicht Dritter wird in § 236 FamFG geregelt.
Trotz der verfahrensökonomischen Vorteile der Anwendung dieser Vorschriften wird von Rechtsanwälten und Gerichten nur unzureichend Gebrauch hiervon gemacht.
Rz. 102
Der Aufbau im Gesetz stellt sich wie folgt dar:
§ 235 FamFG – |
Verfahrensrechtliche Auskunftspflicht der Beteiligten |
|
Abs. 1: Verfahren von Amts wegen |
|
Abs. 2: Verfahren auf Antrag eines Beteiligten |
§ 236 FamFG – |
Verfahrensrechtliche Auskunftspflicht Dritter |
|
Abs. 1: Verfahren von Amts wegen |
|
Abs. 2: Verfahren auf Antrag eines Beteiligten |
1. Die verfahrensrechtliche Auskunftspflicht der Beteiligten, § 235 FamFG
a) Anwendungsbereich
Rz. 103
Von der verfahrensrechtlichen Auskunftspflicht und Pflicht zur Belegvorlage werden die Unterhaltssachen nach § 231 Abs. 1 FamFG umfasst, also Verfahren, welche die durch Verwandtschaft begründete gesetzliche Unterhaltspflicht, die durch die Ehe begründete Unterhaltspflicht und die Ansprüche nach § 1615l oder § 1615m des Bürgerlichen Gesetzbuches betreffen.
Das bedeutet, dass die Vorschrift in Verbundverfahren nach § 137 FamFG, bei Stufenanträgen sowie bei Anträgen auf Ersatz entgangenen Unterhalts bzw. Rückzahlung zuviel gezahlten Unterhalts Anwendung findet. Auch bei Abänderungsanträgen und Anträgen aus übergeleiteten Recht nach § 33 SGB II, § 94 SGB XII, § 7 UVG, § 37 BAföG ist die Vorschrift anwendbar.
Rz. 104
Unanwendbar ist die Vorschrift im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger nach §§ 249 bis 260 FamFG, da das vereinfachte Verfahren Spezialregelungen hinsichtlich der Auskunftsverpflichtung des Unterhaltspflichtigen enthält (vgl. § 252 Abs. 2).
Nicht umfasst werden von der Vorschrift Unterhaltssachen nach § 231 Abs. 2 FamFG.
b) Art und Umfang der Auskunftspflicht
Rz. 105
Nach § 235 Abs. 1 S. 1 FamFG kann das Gericht anordnen, dass der Antragsteller und der Antragsgegner Auskunft über ihre Einkünfte, ihr Vermögen und ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erteilen sowie bestimmte Belege vorlegen, soweit dies für die Bemessung des Unterhalts von Bedeutung ist. § 235 Abs. 1 S. 1 FamFG entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem bisherigen § 643 Abs. 1 ZPO.
Die Einholung von Auskünften nach § 235 Abs. 1 S. 1 FamFG liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts ("das Gericht kann anordnen"). In Ausübung seines Ermessens wird das Gericht jedoch immer dann Erteilung einer Auskunft und auch die Vorlage von Belegen verlangen, wenn eine Verfahrensverzögerung zu befürchten ist oder die Beteiligten ihre Verfahrensförderungspflicht verletzen.
Rz. 106
Die Auskunftsregelung nach § 235 Abs. 1 FamFG ist rein verfahrensrechtlicher Natur und leitet sich aus dem Rechtsverhältnis der Beteiligten zum Gericht ab. Dennoch orientiert sich § 235 Abs. 1 FamFG an den materiell-rechtlichen Auskunftspflichten, insbesondere dem Wortlaut des § 1605 Abs. 1 BGB. Darüber hinaus erstreckt sich die Auskunftsverpflichtung auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.
Gefordert wird eine schriftlich verkörperte, systematische Zusammenstellung aller maßgeblichen Umstände, die ohne fremde Erläuterung von einem verständigen Empfänger verstanden und nachvollzogen werden kann. Die Auskunft muss konkret und nachvollziehbar sein und alle Angaben enthalten, auf deren Grundlage eine verlässliche Feststellung des jeweiligen Unterhaltsanspruchs dem Grunde und der Höhe nach möglich ist.
Rz. 107
Verdeutlicht wird, dass Auskunft und Belegvorlage nur angeordnet werden darf, soweit dies für die Bemessung des Unterhalts von Bedeutung ist. Das ist beispielsweise nicht der Fall, wenn die Auskunftserteilung den Unterhaltsanspruch evident unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen kann. Ordnet das Gericht die Vorlage entsprechender Belege an, sind diese konkret zu bezeichnen. Dabei dürfen nur vorhandene Belege angefordert werden; eine Pflicht zur Erstellung von Belegen beinhaltet § 235 Abs. 1 S. 1 Fa...