Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 47
Es muss frei geredet werden, § 137 Abs. 2 ZPO. Der Rechtsanwalt darf also keine vorbereiteten Schriftstücke ablesen oder sich nur auf seine Schriftsätze beziehen. Urkunden usw. darf er nur verlesen, soweit es auf den wörtlichen Inhalt ankommt, § 137 Abs. 3 S. 2 ZPO.
Eine Bezugnahme auf Dokumente in der mündlichen Verhandlung ist zulässig, soweit keine der Parteien widerspricht und das Gericht sie für angemessen hält, § 137 Abs. 3 S. 1 ZPO. Die Praxis dazu ist indes weitreichender; tatsächlich wird generell aus verfahrensökonomischen Gründen die Bezugnahme auf das schriftliche Vorbringen zugelassen und bereits die vorbehaltlose Antragstellung mit anschließender Verhandlung als Bezugnahme auf den gesamten bis dahin vorliegenden Inhalt der Verfahrensakten gewertet.
Problematisch ist es, wenn das Gericht den Eindruck gewinnt, dass in außerordentlich umfangreichen anwaltlichen Schriftsätzen intensiv Textbausteine verwendet werden und es daher gemäß § 137 Abs. 3 S. 1 ZPO verfahren will. Das Gericht muss dann jedenfalls im Rahmen seiner materiellen Prozessleitung und Fürsorgepflicht nach § 139 Abs. 1 ZPO dafür sorgen, dass der Rechtsanwalt von diesem Vorgehen nicht völlig überrumpelt und hierdurch von einem hinreichenden Vortrag abgehalten wird.
Rz. 48
Übermittelt die andere Partei erst kurz vor dem Termin einen neuen Schriftsatz und kann im Termin – ganz ausnahmsweise – nicht sofort Stellung genommen werden, kann eine Schriftsatzfrist beantragt werden (Schriftsatznachlass). Sollte, was selten ist, eine sofortige Erklärung nicht zumutbar sein, muss dies auf das späte Vorbringen der Gegenseite zurückzuführen sein.
Rz. 49
Wichter Hinweis
Der Antrag, schriftsätzlich Stellung nehmen bzw. einen weiteren Schriftsatz nach der mündlichen Verhandlung einreichen zu dürfen, sollte unbedingt in das Protokoll der Sitzung aufgenommen werden. Weil dessen Aufnahme im Protokoll nicht zwingend ist, weil dieser kein (Sach-)Antrag i.S.d. § 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ist, sollte darauf – wie auch auf die Entscheidung darüber – hingewirkt werden, § 160 Abs. 2, 4 ZPO. Versagt das Gericht zu Unrecht einen Schriftsatznachlass, wäre ein etwaiger Verfahrensfehler dokumentiert.
Bei Bewilligung der Schriftsatzfrist ist diese unbedingt einzuhalten, zumal nur eine fristgemäß eingereichte Erklärung berücksichtigt werden muss. Sind die Parteien persönlich anwesend, verlangt das Gericht aber zumeist eine umgehende Stellungnahme, um die Tatsachen aufzuklären.