Rz. 49

Die Widerklage ist eine eigenständige Klage, für die die gleichen Anforderungen gelten wie für eine originär erhobene Klage. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Klageschrift in § 5 Rdn 1 ff. verwiesen werden.

1. Der zulässige zeitliche Rahmen für die Erhebung der Widerklage

 

Rz. 50

Aus der Natur der Klage als Widerklage ergibt sich darüber hinaus, dass die Widerklage erst erhoben werden kann, wenn die Hauptklage in der ersten Instanz rechtshängig ist.

 

Rz. 51

Aus §§ 256 Abs. 2, 261 Abs. 2 ZPO ergibt sich, dass die Widerklage bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung über die Hauptklage erhoben werden kann.[27] Eine erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erhobene Widerklage ist dagegen unzulässig.[28]

 

Rz. 52

Soweit über die Hauptklage im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO mit Zustimmung der Parteien verhandelt wird, kann die Widerklage durch Einreichung eines Schriftsatzes bis zu dem Zeitpunkt erfolgen, bis zu dem nach § 128 Abs. 2 S. 2 ZPO Schriftsätze eingereicht werden können.

 

Rz. 53

 

Hinweis

Soweit eine Widerklage in seltenen Fällen einmal außerhalb dieses Zeitkorridors erhoben wird, kann sie seitens des erkennenden Gerichts jedoch als eigenständige Hauptklage behandelt werden.[29] § 145 Abs. 2 ZPO analog kann dann zur Anwendung kommen und eine Prozesstrennung stattfinden. Hierauf sollte unbedingt hingewiesen werden, wenn das Gericht droht, die Widerklage als unzulässig abzuweisen. In diesem Fall ist zwar eine erneute Einreichung der Klage möglich, es fielen aber Gerichts- und Anwaltskosten zweifach an.

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen dieser Klage, insbesondere die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, sind dann aber außerhalb von § 33 ZPO nach den allgemeinen Vorschriften zu beantworten. Hierauf kann der Widerkläger aber mit einem Verweisungsantrag reagieren.

 

Rz. 54

Der Zeitraum, in dem Widerklage erhoben werden kann, wird verkürzt, wenn die Hauptklage

nach § 269 ZPO zurückgenommen wird,
der Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt wird oder
der Rechtsstreit durch einen Prozessvergleich endet.
 

Rz. 55

In diesen Konstellationen entfällt mit der Klagerücknahme, der Erledigungserklärung oder dem Prozessvergleich die Rechtshängigkeit der Hauptklage, sodass nach diesem Zeitpunkt eine Erhebung der Widerklage nicht mehr möglich ist.

 

Rz. 56

 

Hinweis

Demgegenüber bleibt die einmal erhobene Widerklage von dem Schicksal der Klage unberührt. Die Vorteile der Widerklage kann der Kläger also nicht dadurch beseitigen, dass er die Klage zurücknimmt.[30] In gleicher Weise führt die Unzulässigkeit der Klage nicht zugleich zur Unzulässigkeit der Widerklage.[31]

[27] OLG Köln MDR 2004, 962 = OLGR 2004, 137; BGH NJW 2000, 2513 = MDR 2000, 967; OLG Düsseldorf, BauR 2014, 283, 290.
[28] BGH NJW 2000, 2513 = MDR 2000, 967; BGH NJW-RR 1992, 1085; NJW 1982, 1533; 1981, 1217.
[29] OLG Celle FamRZ 1981, 790.
[30] Musielak/Heinrich, § 33 Rn 10.

2. Die Bestimmung des Gerichtsstandes der Widerklage

 

Rz. 57

Hinsichtlich der Zuständigkeit für die Klage und Widerklage ist zwischen der örtlichen und der sachlichen Zuständigkeit zu unterscheiden.

a) Die örtliche Zuständigkeit für die Widerklage

 

Rz. 58

Soweit für die Widerklage am Ort der Klage ein eigenständiger Gerichtsstand begründet ist, ergeben sich hier gegenüber dem normalen Erkenntnisverfahren keine Unterschiede. Die Widerklage ist dann nach den §§ 12 ff. ZPO beim örtlich zuständigen Gericht zu erheben, auf § 33 ZPO kommt es nicht an. Der Vorteil liegt darin begründet, dass damit auch die besonderen Voraussetzungen des § 33 ZPO nicht vorliegen müssen.

 

Rz. 59

 

Beispiel

Der in Koblenz wohnhafte Kläger erhebt seine Zahlungsklage über 15.000 EUR beim Landgericht Koblenz gegen den ebenfalls in Koblenz wohnenden Beklagten.

Hier kann der Beklagte hinsichtlich eines ihm zustehenden Gegenanspruches Widerklage ohne Rücksicht auf § 33 ZPO erheben, da der Kläger nach §§ 12, 13 ZPO einen eigenen Gerichtsstand in Koblenz hat.[32]

 

Rz. 60

Ein solcher Gerichtsstand für die Widerklage am Gerichtsstand der Klage kann sich beispielsweise ergeben aus:

§ 12 ZPO: Allgemeiner Gerichtsstand des Wohnortes,
§ 20 ZPO: Besonderer Gerichtsstand des Aufenthaltes,
§ 21 ZPO: Besonderer Gerichtsstand der Niederlassung,
§ 31 ZPO: Besonderer Gerichtsstand der Vermögensverwaltung,
§ 32 ZPO: Besonderer Gerichtsstand des Tatortes.
 

Rz. 61

Die dem entgegenstehende ältere Rechtsprechung,[33] die einen Zusammenhang zwischen Klage und Widerklage fordert und § 33 ZPO insoweit als Zulässigkeitsvoraussetzung der Widerklage gesehen hat, dürfte inzwischen als überholt gelten, nachdem sie nahezu einhellig abgelehnt wird und die letzte Bestätigung dieser Rechtsprechung schon mehr als 25 Jahre zurückliegt.[34] Dies entspricht auch der Einschätzung der Kommentarliteratur.[35] In diesem Fall ist aber zu berücksichtigen, dass das Gericht gemäß § 145 Abs. 2 ZPO Klage und Widerklage durch Beschluss trennen kann.[36]

 

Rz. 62

 

Praxistipp

Eine Zuständigkeit des mit der Klage angerufenen Gerichts für die Entscheidung über die Widerklage kann sich dementsprechend auch aus einer Gerichtsstandsvereinbarung oder aber auch eine...

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