Dr. iur. Nikolas Hölscher
1. Sachliche Voraussetzungen
a) Allgemeines
Rz. 105
In persönlicher Hinsicht kann nur gegenüber Abkömmlingen (ehelichen wie nichtehelichen, gleich welchen Grades) die Pflichtteilsbeschränkung angeordnet werden. Nicht möglich ist dies aber gegenüber dem Ehegatten oder den pflichtteilsberechtigten Eltern; werden ihnen gegenüber solche Belastungen verfügt, so greifen die allgemeinen Vorschriften der §§ 2306, 2307 BGB ohne weitere Beschränkungen ein.
Rz. 106
Anordnungsgründe sind nur die Verschwendung oder die Überschuldung. Auf andere Gründe (Drogen- oder Trunksucht, geistige Behinderung) kann die Pflichtteilsbeschränkung nicht gestützt werden, mögen diese den Erhalt des Nachlasses im Familienbesitz auch genauso gefährden; nach ganz h.M. ist § 2338 BGB als Ausnahmevorschrift mit seinem eng begrenzten Normzweck nicht analogiefähig. Die Verschwendung oder Überschuldung muss objektiv vorliegen; auf die subjektiven Vorstellungen des Erblassers, aber auch des von der Beschränkung betroffenen Pflichtteilsberechtigten kommt es nicht an. Mit der zwingenden Natur des Pflichtteilsrechts ist es nicht vereinbar, wenn der Erblasser die in § 2338 BGB genannten Anordnungen wirksam treffen könnte, obgleich deren Voraussetzungen nicht vorliegen, etwa weil ein geringer Grad von Verschwendung vorliegt; tut er dies dennoch, so greift der sonst von § 2338 BGB verdrängte § 2306 BGB ein (siehe Rdn 127 ff.).
b) Verschwendung
Rz. 107
Verschwendung setzt eine Lebensweise mit einem Hang zur zweck- und nutzlosen Vermögensverwendung voraus. Es muss ein triftiger Grund für die Annahme bestehen, der Abkömmling werde das ihm zugewandte Vermögen ganz oder wenigstens teilweise vergeuden, so dass von einer erheblichen Gefahr für den späteren Erwerb auszugehen ist.
c) Überschuldung
Rz. 108
Überschuldung des Abkömmlings liegt vor, wenn seine Verbindlichkeiten sein Aktivvermögen übersteigen (vgl. §§ 11, 19 Abs. 2, 320 InsO). Die bloße Zahlungsunfähigkeit oder die Insolvenzeröffnung genügt nicht. Ohne Bedeutung ist die Ursache der Überschuldung.
d) Gefährdung des späteren Erwerbs
Rz. 109
Weiter ist erforderlich, dass durch die Verschwendung oder Überschuldung der spätere Erwerb erheblich gefährdet wird. Objekt der Gefährdung kann nur der Erb- oder Pflichtteil des Abkömmlings sein, da ja auch nur dieser durch die Anordnungen geschützt werden kann. Eine erhebliche Gefährdung liegt dann vor, wenn nach objektiven Gesichtspunkten zu erwarten ist, dass der Erwerb wieder verloren geht, weil entweder die Gläubiger des Abkömmlings diesen pfänden und verwerten werden oder weil der Abkömmling ihn selbst vergeuden wird. Eine konkrete Gefahr dieser Art muss aber noch nicht eingetreten sein; vielmehr ist auch hier die im Sicherheitsrecht gebräuchliche Unterscheidung zwischen der abstrakten Gefährdung und der konkreten Gefahr zu machen, wobei die Gefährdung genügt. Die Verlustgefahr kann sich auch aus einer Kumulation der Gefährdungsmomente ergeben, wenn erst Verschwendung und Verschuldung, die für sich noch keine Überschuldung ist, zusammen den Erwerb erheblich gefährden.
2. Zeitliche Voraussetzungen
Rz. 110
Der Beschränkungsgrund muss sowohl bei Errichtung der beschränkenden Verfügung von Todes wegen vorliegen als auch bei Eintritt des Erbfalls immer noch oder wiederum bestehen (§ 2338 Abs. 2 S. 2 BGB). Eine erst drohende Überschuldung genügt nicht, hieran scheitert beim sog. Behindertentestament die Pflichtteilsbeschränkung. Zwischen Errichtung der Verfügung und dem Erbfall eingetretene nur vorübergehende Verbesserungen sind ohne Einfluss auf die Wirksamkeit der beschränkenden Anordnung. Entfällt der Beschränkungsgrund nach Eintritt des Erbfalls, so berührt dies zunächst die getroffene Anordnung nicht. Es ist dann eine Frage der ergänzenden Auslegung, ob der Fortbestand der beschränkenden Anordnungen gewollt ist; tendenziell wird man dabei eher annehmen können, dass die Anordnung der Nacherbfolge oder des Nachvermächtnisses als Instrument der Erhaltung des Nachlasses in der Familie fortbesteht, die Testamentsvollstreckung wegen der bloßen Beschränkung des "gefährdeten Erben" aber häufiger entfällt.
Rz. 111
Da die Beschränkungsgründe sowohl im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung als auch im Erbfall vorliegen müssen, können sich hieraus erhebliche Beweisschwierigkeiten ergeben. Denn die Beweislast dafür, dass diese im Zeitpunkt der Anordn...