Rz. 293
Besonders bei den Finanzierungskosten gilt der Grundsatz, dass nur die Kosten ersetzt werden, die der Geschädigte bei einem Eigenschaden auf sich genommen hätte.
Rz. 294
Der Geschädigte trägt die Beweislast dafür, dass die von ihm veranlasste Kreditaufnahme in der angegebenen Höhe tatsächlich erfolgt ist und dass die Aufwendungen hierfür objektiv erforderlich und wirtschaftlich vernünftig waren.
Rz. 295
Die Kosten der Kreditaufnahme sind in der Regel keine erforderlichen Aufwendungen im Sinne von § 249 BGB.
I. Vorlagepflicht
Rz. 296
Grundsätzlich ist dem Geschädigten der Einsatz eigener Geldmittel zuzumuten, er muss mit den Reparaturkosten in Vorlage treten.
Rz. 297
Der Geschädigte braucht sich jedoch in seiner Lebensführung nicht etwa einzuschränken, allerdings ist es meist möglich und zumutbar, ein laufendes Girokonto im entsprechenden mit dem Kreditinstitut vereinbarten Kreditrahmen zu überziehen.
Rz. 298
Verfügt der Geschädigte über keine freien Geldmittel, so muss er den ersatzpflichtigen Haftpflichtversicherer unverzüglich dahingehend unterrichten, dass bei Nichtzahlung eines Vorschusses eine Fremdfinanzierung erforderlich ist.
II. Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung
Rz. 299
Wenn der Haftpflichtversicherer aufgrund der unklaren Sach- und Rechtslage nicht unverzüglich den Schaden regulieren kann, ist der Geschädigte nicht gehalten, zur Vermeidung von Kreditkosten seine Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen.
Rz. 300
Der ersatzpflichtige Haftpflichtversicherer muss dann den Rückstufungsschaden ersetzen, allerdings dann nicht oder nur quotenmäßig, wenn die Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen wird, weil ohnehin der Geschädigte sich eine Mithaftungsquote anrechnen muss oder die Leistungserhöhungen der Vollkaskoversicherung (Neuwertersatz gem. A.2.5.1.2 AKB 2015) in Anspruch nehmen möchte.
Rz. 301
Bei anteiliger Haftung muss der Geschädigte vor Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung grundsätzlich nicht die Mitteilung über die Regulierungsbereitschaft des gegnerischen Haftpflichtversicherers abwarten.
III. Sonstige Finanzierungsmöglichkeiten
Rz. 302
Fremdfinanzierung ist nicht der Regelfall, sondern nur bei größeren Schäden erforderlich, wenn ein verständiger und wirtschaftlich denkender Anspruchsteller diese Kreditkosten für erforderlich halten durfte. Dem Geschädigten ist es auch zuzumuten, ein Arbeitgeberdarlehen oder einen Gehaltsvorschuss in Anspruch zu nehmen.
Rz. 303
Diese Möglichkeit besteht insbesondere dann, wenn das Kfz auch im dienstlichen Interesse gehalten wird, also auch der Arbeitgeber ein Interesse daran hat, dass ein Mitarbeiter kurzfristig wieder über sein beschädigtes Fahrzeug verfügen kann.
Rz. 304
Schließlich ist der Geschädigte gehalten, gegebenenfalls eine kurzfristige Stundung des Rechnungsbetrages gegen Abtretung seiner Schadenersatzansprüche zu vereinbaren.
Rz. 305
Die Versicherer machen immer noch selten davon Gebrauch, einem Geschädigten unter dem Vorbehalt der Rückforderung einen Vorschuss bzw. ein zinsloses Darlehen zu zahlen, offensichtlich in der – nicht unbegründeten – Befürchtung, dass bei der endgültigen Schadenregulierung ein zu viel gezahlter Betrag freiwillig nicht zurückgezahlt wird.
IV. Kostenvergleich
Rz. 306
Bei der Inanspruchnahme von Bankkredit muss der Geschädigte zwar nicht "Marktanalyse" betreiben, er darf jedoch keine vermeidbaren Kosten anfallen lassen, indem er beispielsweise eine Kreditvermittlung, durch die der Kredit verteuert wird, einschaltet. Auch hier gilt der Grundsatz, dass der Geschädigte sich "wirtschaftlich vernünftig" verhalten muss und nicht etwa im Vertrauen darauf, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung alles zahlt, "blind" jedes Kreditangebot annimmt. Der Geschädigte genügt seiner Schadenminderungspflicht am ehesten dadurch, dass er entweder sein laufendes Girokonto überzieht oder den Kredit bei seinem eigenen Kreditinstitut in Anspruch nimmt. Im Zeitalter des sich immer mehr verbreitenden bargeldlosen Zahlungsverkehrs dürfte zumindest jeder Autofahrer über eine Verbindung zu einer Bank oder Sparkasse verfügen.
V. Beratungshinweis
Rz. 307
Praxistipp
Der Geschädigte muss darauf hingewiesen werden,
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dass er grundsätzlich mit eigenen Geldmitteln in Vorlage treten muss, |
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dass er vor Kreditaufnahme der gegnerischen Haftpflichtversicherung Gelegenheit geben muss, die Finanzierungskosten durch eine Vorschusszahlung oder eine Reparaturkostenübernahmeerklärung abzuwenden, |
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dass er die günstigste Finanzierungsart wählen muss, |
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dass er bei zu erwartender Regulierungsverzögerung seine Vollkaskoversicherung in A... |