Rz. 54
Die Rechtsprechung hat in einer Vielzahl von Entscheidungen die Frage erörtert, bis zu welcher Grenze bei einem wirtschaftlichen Totalschaden (Definition: Reparatur ist teurer als Ersatzbeschaffung) der Geschädigte sein ihm vertrautes Fahrzeug auf Kosten des Schädigers reparieren darf.
1. Berechnung
Rz. 55
Der Bundesgerichtshof hat die 130 %-Grenze nicht ausdrücklich festgelegt, sondern lediglich den von den Instanzgerichten zugestandenen Zuschlag von 30 % gebilligt und betont, dass diese Grenze von 130 % nicht starr ist.
Rz. 56
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 15.10.1991 und in einer weiteren Entscheidung vom 17.3.1992 endgültig und eindeutig zugunsten des Geschädigten entschieden. Die Leitsätze der Entscheidung vom 15.10.1991 lauten:
Zitat
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Bei der Beschädigung eines Kfz bildet auch die Beschaffung eines (gleichwertigen) Ersatzfahrzeugs eine Form der Naturalrestitution. |
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Der Geschädigte muss bei der Frage, ob er sein beschädigtes Kfz reparieren lassen oder sich ein Ersatzfahrzeug anschaffen soll, einen Vergleich der Reparaturkosten (einschließlich eines etwaigen Minderwerts) mit den Wiederbeschaffungskosten anstellen. Dabei erscheint es aus Gründen der einfachen und praktikablen Handhabung vertretbar, auf der Seite der Ersatzbeschaffung den Restwert des Fahrzeugs außer Betracht zu lassen und allein auf den Wiederbeschaffungswert abzustellen. |
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Der hohe Stellenwert des Integritätsinteresses rechtfertigt es, dass der Geschädigte für die Reparatur des ihm vertrauten Fahrzeugs Kosten aufwendet, die einschließlich des etwaigen Minderwerts den Wiederbeschaffungswert bis zu einer regelmäßig auf 130 % zu bemessenden "Opfergrenze" übersteigen. |
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Der Vergleich von Reparaturaufwand und Wiederbeschaffungswert kann seine Aussagekraft für die Berechtigung der Reparatur verlieren, wenn die Mietwagenkosten bei der Reparatur in krassem Missverhältnis zu denjenigen bei einer Ersatzbeschaffung bestehen. |
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Wählt der Geschädigte den Weg der Schadenbehebung mit dem vermeintlich geringeren Aufwand, so geht ein von ihm nicht verschuldetes Werkstatt- oder Prognoserisiko zu Lasten des Schädigers. |
Rz. 57
Bei bloß fiktiver Reparatur verbleibt es bei dem maßgebenden postengenauen Kostenvergleich zwischen fiktiven Reparaturkosten und Ersatzbeschaffung. In diesem Fall ist also auf der Seite der Ersatzbeschaffung der Restwert vom Wiederbeschaffungswert abzuziehen.
Die Restwerte des beschädigten Fahrzeugs sind daher bei der Ermittlung des zu tolerierenden Reparaturkostenaufwands nicht zu berücksichtigen.
Beispiel
Wiederbeschaffungswert |
10.000 EUR |
Restwert |
2.000 EUR |
erlaubter Reparaturkostenaufwand einschließlich merkantiler Minderwert (130 % von 10.000 EUR) |
13.000 EUR |
Rz. 58
Beim Vergleich des Reparaturaufwandes mit dem Wiederbeschaffungswert sind die Wertminderung und die Mietwagenkosten, soweit diese die Wiederbeschaffungsdauer überschreiten, einzubeziehen. In dem vom OLG Köln entschiedenen Fall beliefen sich die Reparaturkosten auf 11.010,90 EUR, der Wiederbeschaffungswert auf 9.137,73 EUR. Unter Berücksichtigung einer Wertminderung in Höhe von 1.400 EUR und der Mietwagenkosten von 981,10 EUR ergab sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 13.392 EUR. Dieser Betrag übersteigt den Wiederbeschaffungswert von 9.137,93 EUR um 46,55 % und ist daher nach Auffassung des OLG Köln durch das Integritätsinteresse des Geschädigten nicht mehr gedeckt.
2. Selbstreparatur
Rz. 59
Während diese Entscheidung noch den Eindruck erweckte, dass der Geschädigte diese Leistungsverbesserung nur bei Nachweis des entsprechenden Reparaturkostenaufwandes erhalten konnte, hat der Bundesgerichtshof dann in einer weiteren Entscheidung vom 17.3.1992 klargestellt, dass die Leistungsverbesserung auf 130 % des Wiederbeschaffungswertes auch bei einer Selbstreparatur zu zahlen ist. Die Leitsätze dieser Entscheidung lauten:
Zitat
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Hat der Geschädigte nach einem Unfall sein Fahrzeug in eigener Regie wieder instand gesetzt und dadurch sein Integritätsinteresse bekundet, so kann er vom Schädiger die für eine Reparatur in einer Kundendienstwerkstatt erforderlichen Kosten verlangen, falls diese 130 % des Wiederbeschaffungswertes für ein gleichwertiges Fahrzeug nicht übersteigen. |
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Halten sich bei tatsächlicher Reparatur die vom Geschädigten auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens geltend gemachten Instandsetzungskosten in diesem Rahmen, so kann der Geschädigte sie beanspruchen, ohne ihre Entstehung im Einzelnen belegen zu müssen.“ |
Rz. 60
In dem entschiedenen Fall war der Geschädigte selbst Kfz-Mechaniker und hatte daher die Reparaturarbeiten auch selbst dur...