Rz. 78
Bei Abrechnung des Totalschadens ergibt sich die Entschädigungsleistung aus der Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Restwert des beschädigten Fahrzeugs.
1. Schadenminderungspflicht
Rz. 79
Wenn der mit der Schadenfeststellung beauftragte Sachverständige den Restwert in seinem Gutachten ermittelt hat, muss in der Regel das Fahrzeug umgehend veräußert werden, damit Standgeldkosten vermieden werden.
Rz. 80
Findet der Geschädigte keinen Interessenten, der bereit ist, das beschädigte Fahrzeug zu dem geschätzten Restwert zu übernehmen, ist für ihn die weitere Sachbehandlung unproblematisch: Der Geschädigte kann den Sachverständigen und/oder den ersatzpflichtigen Haftpflichtversicherer auffordern, einen Interessenten zu benennen, der bereit ist, das Fahrzeug zu dem geschätzten Betrag zu übernehmen. Wenn der Haftpflichtversicherer nicht reagiert und sich lediglich pauschal auf das Gutachten bezieht, ist der Geschädigte berechtigt, den Restwert auch zu einem Preis zu veräußern, der unter dem Betrag liegt, den der Sachverständige kalkuliert hat.
Rz. 81
Problematischer sind jedoch die Fälle, in denen der ersatzpflichtige Haftpflichtversicherer einwendet, der Sachverständige habe den Restwert zu niedrig geschätzt, es lägen Angebote anderer Interessenten vor, die einen erheblich höheren Betrag für die Restwerte zahlen würden.
Rz. 82
Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen Geschädigtem und ersatzpflichtigem Haftpflichtversicherer ist oft die Frage, ob und in welchem Umfang und für welchen Zeitraum der Geschädigte verpflichtet ist, dem Haftpflichtversicherer Gelegenheit zu geben, sich um eine günstigere Verwertung der Restwerte zu bemühen. Der Geschädigte ist berechtigt, nach Zugang des Sachverständigengutachtens die Restwerte zu dem Preis zu veräußern, der sich aus dem Gutachten ergibt.
Rz. 83
Das OLG Köln vertritt die Auffassung, dass vor Veräußerung der Restwerte dem Versicherer zunächst Gelegenheit gegeben werden müsse, ein höheres Restwertangebot einzuholen. Diese Auffassung entspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der Geschädigte darf das beschädigte Fahrzeug grundsätzlich zu dem Restwerterlös veräußern, den ein Sachverständiger ermittelt hat. Voraussetzung ist jedoch, dass der beauftragte Sachverständige als geeignete Schätzgrundlage für den Restwert im Regelfall drei Angebote auf dem maßgeblich regionalen Markt eingeholt hat. Wenn der Sachverständige den Restwert fehlerhaft ermittelt hat, ist er gegenüber dem Haftpflichtversicherer schadenersatzpflichtig, da der Sachverständige Erfüllungsgehilfe des Schädigers und nicht des Geschädigten ist.
Rz. 84
Ausgehend von dem Grundsatz, dass ein Geschädigter an einem Schadenfall nicht "verdienen" darf, ist bei der Schadenberechnung nicht der vom Sachverständigen geschätzte Restwert zugrunde zu legen, sondern der Betrag, den der Geschädigte bei der bestmöglichen Verwertung des Restwertfahrzeugs tatsächlich erzielt.
2. Übererlös
Rz. 85
Wenn der Geschädigte einen höheren Erlös für die Restwerte erzielt als im Gutachten ermittelt worden ist, muss er sich auch diesen "Übererlös" anrechnen lassen, es sei denn, dieser höhere Erlös war nur unter Aufwendung überobligatorischer Anstrengungen zu erzielen; insoweit liegt die Beweislast beim Schädiger. Der Bundesgerichtshof stellt ausdrücklich fest, dass ein Geschädigter an einem Schadenfall nicht "verdienen" darf.
3. Rechtsprechungsübersicht
Rz. 86
Ein Geschädigter ist grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Sondermarkt für Restwertaufkäufe im Internet in Anspruch zu nehmen und kann daher vom Schädiger nicht auf einen höheren Restwerterlös verwiesen werden, der auf diesem Sondermarkt durch spezialisierte Restwertaufkäufer erzielt werden könnte. Der Geschädigte genügt daher seiner Schadenminderungspflicht, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Fahrzeugs zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.
Rz. 87
Der Sachverständige muss nur solche Angebote berücksichtigen, die auch dem Geschädigten zugän...