Rz. 102
Die Ehegatten/Lebenspartner können das gemeinschaftliche Testament in einem gemeinschaftlichen Widerrufstestament widerrufen, §§ 2253, 2254 BGB, § 10 LPartG.
Rz. 103
Sie können ihr gemeinschaftliches Testament auch zerreißen, § 2255 BGB. Eine solche Vernichtung muss aber dem Willen beider Ehegatten/Lebenspartner entsprechen. Diese Form des Widerrufs kann jedoch evtl. später zu Beweisschwierigkeiten führen: Es lässt sich später möglicherweise nicht beweisen, dass das Testament mit dem Willen beider Ehegatten/Lebenspartner zerrissen wurde. Den Ehegatten/Lebenspartner, der sich auf den gemeinsamen Widerruf durch Vernichtung des Testaments beruft, trifft hierfür die Beweislast.
Rz. 104
Ein gemeinschaftliches Testament können die beiden Ehegatten jederzeit durch gemeinschaftliches Testament aufheben, ohne dass es hierzu der Form der §§ 2271 Abs. 1, 2296 BGB bedürfte, denn diese Form gilt nur für den einseitigen Widerruf, also die einseitige Beseitigung des gemeinschaftlichen Testaments durch einen der Ehegatten, und auch da nur für wechselbezügliche Verfügungen i.S.d. § 2270 BGB. Die einseitige Aufhebung der wechselbezüglichen Verfügung eines Ehegatten durch eine neue Verfügung von Todes wegen ist durch § 2271 Abs. 1 S. 2 BGB ausdrücklich ausgeschlossen. Diese Vorschrift ist unabdingbar, doch ist es möglich, die Bindung der Ehegatten an wechselbezügliche Bestimmungen eines gemeinschaftlichen Testaments in diesem selbst abweichend von der gesetzlichen Regelung durch gegenseitige Einräumung der Testierfreiheit oder anderweitige Gestaltung des Widerrufs zu regeln. Die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments i.S.d. § 2271 Abs. 2 BGB tritt erst mit dem Tod eines der Ehegatten/Lebenspartner ein. Vor dem Tod eines Ehegatten/Lebenspartners ist jeder von ihnen berechtigt, durch einseitigen notariellen Widerruf, der dem anderen Ehegatten/Lebenspartner zugehen muss, das Testament und somit seine Beschränkung der Testierfreiheit aufzuheben, §§ 2271 Abs. 1, 2296 BGB. Der einseitige Widerruf bedarf der notariellen Beurkundung, §§ 2271 Abs. 1, 2296 Abs. 2 BGB, § 10 LPartG.
Rz. 105
Die empfangsbedürftige Widerrufserklärung, § 130 Abs. 1 S. 1 BGB, ist nur wirksam, wenn der andere Ehegatte/Lebenspartner in seiner Fähigkeit, rechtsgeschäftliche Willenserklärungen verbindlich entgegenzunehmen, nicht beeinträchtigt war, § 131 Abs. 1 BGB. Erforderlichenfalls ist Betreuung für ihn anzuordnen, damit der Betreuer ihn bei der Entgegennahme der Widerrufserklärung vertreten kann.
Rz. 106
Ist der andere, nicht widerrufende Ehegatte geschäftsunfähig und gehört zum Aufgabenkreis eines für ihn bestellten Betreuers die Vermögenssorge, so kann der Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments auch gegenüber dem Betreuer erklärt werden. Die ganz herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur geht davon aus, dass ein Widerruf auch im Falle der Geschäftsunfähigkeit des anderen Ehegatten möglich ist, dann aber gem. § 131 BGB dem gesetzlichen Vertreter des Geschäftsunfähigen zugehen muss, um wirksam zu werden. Das LG Leipzig lässt es genügen, wenn der Widerruf dem Generalbevollmächtigten des anderen Ehegatten zugeht.
Allerdings kann es einen Interessenkonflikt zwischen Bevollmächtigtem und Betroffenem geben. In einem solchen Fall ist ein Kontrollbetreuer zu bestellen.
Rz. 107
Ist der widerrufende Ehegatte zugleich zum Betreuer des anderen Ehegatten bestellt, dürfte wohl ein Vertretungsausschluss bestehen, da die Empfangnahme der Widerrufserklärung nicht als lediglich rechtlich vorteilhaft angesehen werden kann, so dass für die Empfangnahme des Widerrufs ein Ergänzungsbetreuer nach § 1899 Abs. 4 BGB bestellt werden muss.
Rz. 108
Zum Erfordernis einer Betreuerbestellung das AG München:
Zitat
"… Die Betroffene ist geschäfts- und testierunfähig und damit auch nicht in der Lage, Willenserklärungen zur Kenntnis zu nehmen. Ohne Bestellung eines Betreuers ist ein Widerruf des gemeinschaftlichen Testamentes nicht möglich, da angesichts fehlender Geschäftsfähigkeit die Willenserklärung der Betroffenen gegenüber nicht wirksam erfolgen kann. Die Geschäftsunfähigkeit nimmt nicht nur die Fähigkeit, Erklärungen wirksam abzugeben, sondern auch die Fähigkeit, Erklärungen mit Wirkung für und gegen sich zu empfangen. Ohne Betreuung scheitert der Zugang des Testamentswiderrufs."
Rz. 109
Die Wechselbezüglichkeit der in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen letztwilligen Verfügungen steht regelmäßig der Annahme entgegen, der von einem Widerruf der Verfügungen des anderen betroffene Ehegatte habe seine eigenen Verfügungen hypothetisch auch für diesen Fall fortgelten lassen wollen.
Rz. 110
Hinweis
Ist der widerrufende Ehegatte zugleich zum Betreuer des anderen Ehegatten bestellt, dürfte wohl ein Vertretungsausschluss bestehen, da die Empfangnahme der Widerrufserklärung nicht als lediglich rechtlich vorteilhaft angesehen werden kann, so dass für die Empfangnahme des Widerrufs ein Ergänzungsbetreuer nach § ...